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Ja zur Reform, Nein zum Vorhaben

Für Sozialdemokraten steht es außer Frage: Die Partei braucht eine Erneuerung, sie muss reformiert werden und ganz sicher gehört auch dazu die oft zitierten "verkrusteten Parteistrukturen" aufzubrechen und zu erneuern. Die SPD muss hinsichtlich des Umgangs mit ihren Mitgliedern moderner, mit manch einer Thematik allerdings wieder sozialdemokratischer werden. Angeblich plant die Parteiführung Erneuerungskurse, Reformen und Satzungsänderungen. Auf dem Parteitag im Dezember sollen diese Vorhaben dann von den Delegierten bestätigt werden. Andrea Nahles, Generalsekretärin der SPD, hat kürzlich einen neuen Vorschlag zur Reformierung gemacht. Zukünftig sollen die Kanzlerkandidaten der SPD bei sogenannten Vorwahlen, die in etwa den amerikanischen Primaries entsprechen sollen, gewählt werden. An sich klingt das nach einem intelligenten Vorschlag. Die Sorgen und Hoffnungen der Mitglieder mal wieder ernst nehmen und die "Basis mitnehmen", wie es so schön heißt. 

Pustekuchen. Aus dem schönen Vorhaben, den schönen Ideen wurde durch einen Nachsatz für viele SPD-Mitglieder eine nicht nachvollziehbare Reform. Denn so sollen nicht nur SPD-Mitglieder den SPD-Kanzlerkandidaten bestimmen, sondern auch Nichtmitgliedern soll die Chance gegeben werden sich an der Vorwahl zu beteiligen. Und das ist ein Fehler. 
Punkt eins: 
Die SPD unter Sigmar Gabriel ist opportunistisch geworden. Das Handeln nach des Wählers Willen gehört inzwischen schon  zum guten Ton. So wird -  zwar nicht nur in der SPD, aber auch - Politik nach Umfragen gemacht. Wofür sind die meisten Wähler? Gut, dann sind wir auch dafür. Das ist aber keine Parteipolitik. Parteien sind zur Meinungsbildung da, so heißt es schon im Grundgesetz. Die SPD profiliert sich allerdings nicht als Meinungsbildnerin, sondern als Papagei. Wir fahren immer nur da mit, wo es allen gefällt. So gewinnt man nichts und schon gar keine Glaubwürdigkeit. Würde man nun die Vorwahlen für Nichtmitglieder öffnen, so wäre das ein weiterer Schritt in diese Richtung. Nun kann man natürlich sagen, was ist daran schlecht darauf zu hören was Wähler sagen? Anstelle einer Antwort bringe ich ein Gegenbeispiel: Was passiert, wenn alle fünf großen, im Bundestag vertretenen Parteien, nichts anderes mehr machen als sich an Umfragen im Volk zu orientieren? Sie bieten alle dasselbe an. Ein Grund dafür, warum sich Parteien heutzutage kaum nach anhand ihrer Programme unterscheiden. Die SPD muss in erster Linie nicht auf die Gesamtbevölkerung hören, sondern auf ihre Mitglieder. Die Mitglieder sind nämlich viel vernetzter als es die Parteizentrale annimmt. Sie werden immer und überall unterschätzt und liegen gelassen. Also: würden die Mitglieder ihren Kandidaten selber wählen, können sie auch besser Wahlkampf machen, weil sie selbst eher hinter dem Kandidaten stehen. Ein Pluspunkt. Nichtmitglieder wählen zu lassen, das wäre nichts anderes als purer Opportunismus. 

Punkt zwei:
Das SPD-Mitglied an sich und im Besonderen hat es oft nicht leicht. Der normale Sozialdemokrat ist zwar an 365 Tagen Mitglied, zeigen darf er das aber maximal an einem. Die Partei hört nicht auf ihre Mitglieder, die sogenannte Basis vor Ort wird links liegen gelassen. Es wäre von enormer Bedeutung würde die Partei ihre Mitglieder im Wege der Reform mitnehmen, sie einbinden in die Parteiarbeit. Kann man aber demnächst auch als Christdemokrat, als Freier Liberaler (oder so etwas in der Art), ganz Linker oder Grüner den SPD-Kanzlerkandidaten wählen, ja, wieso ist man dann überhaupt noch Mitglied? Als reine Solidaritätsbekundung, um das Parteibuch im Schrank zu haben und sagen zu können: "He, ich bin Sozialdemokrat"? Nein, liebe Freunde in der Parteiführung, so geht es nicht. Mitglieder brauchen Vertrauen, denn ohne Mitglieder keine Partei. So viel sollte klar sein. Es darf nicht wahr sein, dass die Mitgliedschaft bei der SPD derart entwertet wird, dass eine der wenigen Mitbestimmungsmöglichkeiten, die ein SPD-Mitglied hat, auch von Nichtmitgliedern ausgeübt werden kann. Parteiaustritte im vierstelligen Bereich würden Bevorstehen. Das kann die SPD sich nicht leisten! 

Punkt drei: 
Meinerseits melde ich verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Vorhaben an. Art. 21 Grundgesetz stellt sowohl die Parteien, als auch deren Mitglieder unter besonderen Schutz. Die Mitgliedschaft in einer Partei ist als solche verfassungsrechtlich geschützt und in diesem Sinne muss sie auch von der Nichtmitgliedschaft abgegrenzt werden. Soll heißen, wenn die Sonderstellung eines Parteimitglieds aufgehoben wird, so könnte das ein Verstoß gegen Art. 21 darstellen. Dementsprechend wäre zu diskutieren, ob der Vorschlag, den Andrea Nahles gemacht hat, in der Form überhaupt juristisch praktikabel wäre. Würde ein SPD-Mitglied Klage gegen diese Maßnahme einreichen, wäre ich dabei. Mitgliedschaft ist Mitgliedschaft. Man denke nur einmal daran, wie viele Sonderprivilegien ein Fan hat, der Mitglied bei seinem Lieblingsverein ist. Er kriegt Prozente im Fanshop, bei den Tickets, kriegt bevorzugt Zugang zu den Tickets und und und. Das Parteimitglied der SPD hat ein rotes Buch mehr im Schrank. Das war's. Daran gilt es etwas zu ändern. Bevor die Partei Nichtmitglieder mobilisiert, muss sie sich erst einmal um die eigene Anhängerschaft kümmern. 



her 

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