Von Henning Rasche.
Um ein Fazit zu schreiben bedarf es an Zeit. Deswegen schreibe ich es erst heute, weil ich der Überzeugung bin, dass man Geschehenes erstmal reflektieren muss, um ein Fazit ziehen zu können. Die Zukunftskonferenz der Grünen begann und endete am vergangenen Samstag, es ist genügend Zeit vergangen, um eine abschließende Meinung zu bilden. Auf drei verschiedenen Ebenen ziehe ich Fazit: auf einer allgemeinen - zum Grundsätzlichen dieser Zukunftskonferenz; auf einer grünen - was parteipolitisch mitzunehmen ist; und auf einer persönlichen Ebene - was meine privaten Erfahrungen betrifft.
Allgemeines: Zum Grundsätzlichen der Grünen Zukunftskonferenz
Für diejenigen unter uns, für die das Wort "Zukunftskonferenz" immer noch nichts weiter als eine Worthülse ist, soll versucht werden zu erklären was passiert ist. Die Partei beschloss 2009, wenn ich das Richtig in Erinnerung habe, auf einem Bundesparteitag die Einrichtung von Foren, die künftige Themen und Positionen der Partei herausarbeiten sollten. In Workshops wurde dann über Jahre hinweg über die auf antriebzukunft.de genannten Themen diskutiert, die Zwischenergebnisse wurden dann auf der Zukunftskonferenz am Samstag in Berlin zusammengetragen und diskutiert. So in etwa kann man sich das vorstellen. Über 900 Leute - nach Angabe der Grünen - waren auf der Konferenz. Darunter natürlich viele Parteimitglieder, aber auch Nichtmitglieder, Wissenschaftler, Journalisten und ausländische Politiker. Die Partei hat sich, wohlbemerkt eine Woche nach ihrem Sonderparteitag, die Zeit genommen über Zukunftsfragen zu diskutieren. Sie legen damit enorm wichtige Grundlagen für das Wahlprogramm 2013 und ein möglicherweise neues Grundsatzprogramm. Und selbst wenn die Ergebnisse der Konferenz nicht schriftlich fixiert wurdne, selbst wenn es schwer ist überhaupt zählbare Schlussfolgerungen zu finden, die Partei hat nur gewonnen. Wenn nicht an neuen Antworten, dann immerhin sicherlich an neuen Mitgliedern, Symphatisanten und an Ansehen in der Öffentlichkeit. Welche Partei hat in letzter Zeit schon mal so eine Veranstaltung abgehalten - einfach so? Mal diskutiert, was so werden könnte in ferner Zeit? Keine. Die CDU ist für so eine Veranstaltung wohl viel zu pragmatisch, die FDP muss zu sehr auf sich selbst achten und die SPD? Die Sozialdemokraten tauchen nur mit einem einzigen Thema in den Schlagzeilen auf, der möglichen Kanzlerkandidatur von Steinbrück. Ein erbärmliches Signal für die Partei, der eine Zukunftskonferenz mehr als gut stehen würde. Zugegeben: Es gibt auf Landesebene hin und wieder "Zukunftskonvents" im Bereich der SPD, diese werden allerdings so öffentlichkeitswirksam dargestellt wie die Kartoffelsuppe. Für diese Veranstaltung hat die Partei meinen Respekt erlangt. Was die Mitgliederkommunikation angeht, können und müssen sich die anderen Parteien zwei bis drei Scheiben bei den Grünen abschneiden. Wirklich beeindruckend wie viel Energie die Partei in die Arbeit mit den Mitgliedern, in die Diskussion über Inhalte steckt.
Grüne: Zu parteipolitischen Fragen
Zwei verschiedene Foren sind Gegenstand meines Besuchs geworden, wie meinen vorherigen Beiträgen zu entnehmen ist. Zum einen stand die Verteilungsgerechtigkeit im Mittelpunkt, zum anderen nachhaltiger Konsum. Noch in der ersten Debatte war ich erstaunt wie viel linkes Potential in der Partei steckt. Verteilungsgerechtigkeit, Kapitalismuskritik, erbittertes Kämpfen für die "Schwächsten der Gesellschaft", die Lücke zwischen arm und reich muss geringer werden, der Staat muss die Konzentrierung des Vermögens im Kapitalismus bekämpfen. Alles ganz schön links habe ich gedacht. Ja, zugegeben, für einen Moment dachte ich, warum eigentlich nicht grün? Allerdings war der Moment so kurz, dass ich mich an das Gefühl jetzt schon nicht mehr erinnern kann, denn das zweite Forum gab mir die Antwort auf meine Frage. Der "nachhaltige Konsum für alle" war dann für mich so unsozial, sozial ungerecht und so bürgerlich, dass ich der Partei kein linkes Siegel aufsetzen kann. Die Partei hat eigentlich nur eins bewiesen an diesem Tag: die Kommunikation stimmt. Inhaltlich allerdings dürfte es Probleme geben: Stuttgart 21 wird gebaut (sogar Heiner Geißler hat es jetzt zugegeben), die Atomkraftwerke werden abgeschaltet. Was bleibt dann, was verbindet dann die Öko-Partei? Es dürfte schwierig werden, ein solches Thema wieder zu finden. Der Protest gegen einen Tiefbahnhof sorgt für Ausbrüche, allerdings wird der Effekt von Zeit zu Zeit immer schwächer. Das selbe gilt für die Atomenergie. Und wenn es etwas gegeben hat, was die Grünen von allen anderen Parteien unterschieden hat, dann war es das Streben nach einer atomfreien Zukunft. Wenn diese eingetreten ist, dann könnte ihre Zustimmung wieder dahinschweifen. Die Fragen, die auf der Konferenz gestellt wurden waren zwar hochinteressant und komplex, aber neue Kernthemen lassen sich daraus erstmal nicht machen. Allein schon deshalb, weil jedes Grüne Mitglied zu jedem Thema drei verschiedene Meinungen hat. Man könnte sagen: immerhin.
Persönliches: Zu privaten Erfahrungen
Nie zuvor war ich als Blogger auf irgendeiner Veranstaltung, um von dort zu berichten. Die Erfahrung vor Ort gewesen zu sein möchte ich zweifelsohne nicht missen. Diese Begegnung mit vielen interessanten Persönlichkeiten zwischen Politik, Wissenschaft und Otto-Normalbürger ist in meinem Spektrum bislang einzigartig. Nie zuvor habe ich an einem Tag so oft das Wort "Blogger" gehört und selbst gesagt, wie bei der Zukunftskonferenz. Und bis heute konnte ich mich immer noch nicht mit dem Wort anfreunden. Es ist so dermaßen nichtssagend. Erwartet habe ich mir mehr von der Betreuung der Blogger durch die Grünen. Diese hat nämlich nicht stattgefunden. Weder wurde uns ein Tisch zur Verfügung gestellt, noch gab Steckdosen, noch dauerhaftes Internet, noch einen Ansprechpartner, noch eine gewollte Zusammenführung mit den anderen Bloggern, noch die versprochene Begegnung mit Spitzenpolitikern. Klingt sehr negativ, allerdings sind das alles verkraftbare Punkte. Die Grünen dürfen noch üben, beim nächsten Mal sind sie sicher schlauer. Für uns Blogger gab es eine Nacht im Hotel und die Zugreisen gesponsert. Finanziell geht man ohne Nachteil - von den horrenden Preisen des Caterers abgesehen - aus der Veranstaltung heraus, allerdings auch ohne Vorteil. Eine Dankesemail kam gestern noch von Malte Spitz aus dem Bundesvorstand. Vier Zeilen warme Worte für etliche Stunden Arbeit. Leistung muss sich wieder lohnen oder wie war das? Dennoch bin ich dankbar, diese Erfahrung gemacht haben zu dürfen.
Nein politisch grün bin ich aber nicht geworden. Zum einen aus den oben genannten Gründen, zum anderen weil ich großes Vertrauen in die Wiederauferstehung meiner Genossen habe. Allerdings fand ich den Einblick in das Herz der Grünen sehr aufschlussreich, ich glaube jetzt einen ziemlich guten Eindruck von dieser Partei zu haben. Und ein gutes Bild von ihnen nehme ich auch mit. Wer einmal Cem Özdemir auf dem Sommerfest hat tanzen sehen weiß, die Partei hat Humor.
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