Wovor sich ein Politiker nicht alles fürchten muss. Vor Journalisten, vor Gesetzen, vor Umfragen, vor dem Bundesverfassungsgericht, vor anderen Politiker-Feinden, vor sich selbst, aber in erster Linie natürlich vor dem Wähler. Der Wähler, wie das schon klingt. Eine nervige Spezies, die Politiker einfach ertragen muss. Sie gehören dazu, die Wähler, aber glücklicher wäre man doch ohne sie. Einfach weiterspielen im Sandkasten des Plenums, das wär doch was für die kleinen Ronalds und Guidos. Ohne diese dämlichen Wähler würde ihnen nicht ständig einer das Schäufelchen wegnehmen, nicht ständig einer die mühsam erbaute Sandburg einfach kaputttreten.
Das Problem an den Wählern ist, dass sie nicht einfach nur alle vier Jahre sonntags ins Wahllokal gehen, brav ihr Kreuzchen machen und dann wieder aufs Sofa gehen und sich gutgläubig auf einen fröhlichen Wahlausgang freuen, sondern dass sie auch noch beobachten was Horst, Guido und Angela da zusammen spielen. Ob sie sich auch ja schön vertragen oder mal wieder zanken. "Du, Angie, der Guido will nicht mit mir spielen... Der ist ganz doof, ich bin jetzt beleidigt." Ja, das wollen sie auch noch mitkriegen, die bekloppten Wähler. Ob es sich denn gelohnt hat, die 40 Schritte ins Wahllokal zu schlendern oder ob sogar diese politische Viertelstunde herausgeschmissene Zeit war. Die drei haben den Wählern ja auch einiges versprochen, der Guido wollte seinen Hotel-Freunden etwas Gutes tun, der Horst sich selbst und die Angela, ja was wollte die eigentlich ? Weiß das noch jemand ? Ist ja auch egal...
Jedenfalls bekommen die Politiker es jetzt wieder mit der Angst zu tun, die Wähler haben sich verbündet. Eine geheime Republik in Mitten des Staates wollen sie etablieren. Die so genannte Dagegen-Republik. Erstmals aufgetreten sind Hinweise im Raum Stuttgart, in der Nähe eines ehemaligen Kopfbahnhofes. Mit Hilfe eines gemeingefährlichen Juchtenkäfers haben sich die Gründer der Dagegen-Republik sich auf den Weg gemacht, Menschen wie Stefan Mappus zu stürzen. Das Kennzeichen der Untergrundorganisation ist ein lauter Schrei "Dagegen!". Sie sind gegen alles: gegen den Bau des Stuttgarter Bahnhofprojektes 21, gegen Atomenergie, ja, gegen was denn noch ? Etwa gegen die Politik oder noch schlimmer gegen die Politiker von Schwarz-Gelb?
Was kommt als nächstes ? Wenn die Wähler schon gegen die "bürgerliche Regierung" auf die Straße gehen, dann ist ihnen ja auch die Gründung eines Untergrundstaates zuzutrauen, oder nicht ? Die Dagegen-Republik steht als ungeheures Gespenst über dem Berliner Reichstag, als gemeingefährliche Bedrohung für den politischen Betrieb.
Denn Politiker fürchten nichts mehr, als den Zorn des so ungeliebten Wählers. Vier Jahre lang, kann die Politik zwar machen was sie will. Aber danach, ist sie wieder vom Wähler abhängig. Dann kommen sie wieder alle angekrochen und wollen das Kreuz auf dem Stimmzettel haben. Was dazwischen passiert, die Sorgen und Ängste der Wähler mal wahrzunehmen. Who cares? Wenn ein Norbert Röttgen meint die Castor-Gegner nur mit reinen ökonomischen Fakten zu besänftigen, dann hat er kein Gespür für besagte Ängste und Sorgen. Wer aus Widerstand gegen Atomenergie und Stuttgart 21 eine neue Dagegen-Mentalität hervorwachsen sieht, der sieht sich selbst als absolut an und stellt jede Kritik an seinem Verhalten als Bedrohung für die Republik dar. Aber Widerstand gegen die derzeitige Regierung ist keine Bedrohung für die Republik. Die einzigen, die bedroht sind, sind die Politiker. Aber dass sie ihren persönlichen Untergang mit dem der Republik gleichsetzen wundert nicht.
Denn ein Politiker, der einmal Macht erlangt hat, fürchtet nichts mehr, als sie wieder zu verlieren. Was kommt da nicht passender, als das böse Gespenst der Dagegen-Republik, das man wie den Teufel an die Wand malen kann ?
her
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