Jede Krise ist auch eine Chance. Oft hört man diesen Satz in den letzten Tagen in der FDP. Es soll Mut machen, in Zeiten der drohenden Selbstzerstörung. Wenn alles im Abgrund liegt, kann es den Vorsprung immerhin nicht mehr runterfallen. Schlimmer geht's nimmer, glauben viele Liberale. Ob das so richtig ist? Die Wahlergebnisse der Landtagswahlen stecken bei der FDP noch tief in den Knochen, um es gelinde auszudrücken. Nach dem größten Triumph bei der Bundestagswahl 2009 mit 15% der Stimmanteile, ist jetzt der größte Tiefpunkt der FDP erreicht. Und beide Seiten, sowohl der große Sieg, als auch der Untergang sind fest mit einer einzigen Person verbunden: mit Guido Westerwelle.
Nie zuvor gab es einen Außenminister, der so unbeliebt war wie Guido Westerwelle. Auch das hört man in diesen Tagen überall. Seitdem er im Herbst 2009 in die Regierung eingetreten ist, hat er drei Aufgaben zu bewältigen. Er ist FDP-Vorsitzender, Bundesaußenminister und Vizekanzler der schwarz-gelben Koalition. Doch seit der Regierungsübernahme lief es niemals richtig rund. Westerwelle stänkerte gegen britische Journalisten, die in Deutschland englische Fragen stellen wollten. Er wurde aggressiv, bei der leisesten Kritik an seinen Vorhaben. Cholerisch, ja unbeherrscht fiel er in der Bevölkerung auf, als hätte er sich selbst nicht im Griff. Immer mit der Nase nach oben, mit hundertprozentiger Überzeugung von sich selbst. Nie schien es, als würde er an sich zweifeln. Bloß keine Schwäche zeigen, dachte Westerwelle sich wohl. Doch was herauskam war niemand ohne Schwäche. Sondern jemand ohne menschlichen Regungen. Wenn Westerwelle gelacht hat, dann bloß aus Häme oder Arroganz. Nie machte er einen Scherz, nie zeigte er sich als der sympathische Vertreter der Bundesrepublik im Ausland. Guido Westerwelle hatte viele Probleme. Sein größtes ist er selbst. Für viele ist er zum Unsympathen avanciert. Er brach Wahlversprechen und bevorzugte Klientel. Und tat das mit einer selbstverständlichen Arroganz, wie sie schlimmer nicht sein konnte. Vielleicht erklärt dieser Umstand viel mehr den Untergang dieses Mannes.
Guido Westerwelle wird den Parteivorsitz abgeben. Der neue Vorsitzende soll auch Vizekanzler sein. Durch den Verlust zweier Ämter (auch wenn das Amt des Vizekanzlers mehr inoffiziell ist) wird Westerwelle enorm geschwächt. Auch im Ausland vernimmt man die tiefe politische Krise, die er durch macht. Wie soll ein so verwundeter Politiker unsere Republik im Ausland noch gut vertreten? Er wird auch als Außenminister zurücktreten müssen. Er hat genau einen politischen Erfolg als Außenminister verbuchen können: den Sitz für Deutschland im Weltsicherheitsrat. Und diesen einzigen Erfolg hat er durch die Enthaltung in der Lybien-Frage verspielt. Kurios ist hier noch zu bemerken, dass ihm erst viele in der Enthaltung zugestimmt haben und ihn erst später dafür hart und unfair kritisierten. Die Enthaltung war falsch, aber auch gegenüber Guido Westerwelle gilt es fair zu bleiben.
Viele fallen über Westerwelle her, so dass ich mich frage, ob er das verdient hat. Ich war immer Gegner von Guido Westerwelle und ich leugne auch nicht, dass ich ihn nie sonderlich leiden konnte. Doch wie man ihm jetzt politisch den Kopf abschlägt, finde ich ein wenig pietätlos. Auch wenn ich mir das Ende von Schwarz-Gelb wünsche, so wünsche ich mir noch mehr hohe politische Klasse. Frauen und Männer mit Stilbewusstsein in Charakterfragen und hohen moralischen Ansprüchen. Diese Leute fehlen, in allen Parteien. Da muss sich nicht nur die FDP um ihre Zukunft fürchten.
her
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