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Parteienverdrossenheit und sentimentaler Snobismus

Warum das Problem der FDP kein bloßes Problem der FDP ist 


Es muss fast so sein, als wäre die Existenz der FDP nicht nur sprichwörtlich, sondern auch tatsächlich bedroht. Wenn sogar der Ur-Liberale, der Ehrenvorsitzende, der Kopf der FDP Hans-Dietrich Genscher Sorgen um das Fortbestehen seiner Partei anmeldet, ist das jedenfalls durchaus ernst zu nehmen. Und völlig aus der Luft gegriffen sind die Befürchtungen der Parteispitze in die Bedeutunslosigkeit zu verfallen nicht. Einer aktuellen Umfrage zur Folge käme die FDP, wenn am Sonntag Bundestagswahlen wären, auf exakt drei Prozentpunkte. Sie würde nicht mehr in den Bundestag einziehen. Wenn nicht in solchen Fällen, wann dann steckt eine Partei in der Krise? 

Die Liberalen tun sich schwer damit Ursachen für ihren Absturz zu finden. Es scheint so als wollten sie sagen: Guido Westerwelle ist der einzig Schuldige. Sie tauschen den Parteichef aus und schon gehören alle Probleme der Vergangenheit an. Doch so ist es nicht. Die FDP steckt in der Krise, weil sie ein für Parteien in diesen Jahren übliches Verhaltensschema an den Tag legt. Dieses Verhaltensschema setzt sich aus bewusstem Lügen und Täuschen in der Darstellung nach außen - also zum Wähler hin - und Inhaltsleere nach innen zusammen. Gerade die Liberalen haben sich im Bundestagswahlkampf 2009 inhaltlich auf Steuersenkungen beschränkt, die sie dann nicht umsetzen konnten. Dieser Umstand ist ein ganz wesentlicher Baustein der Parteienverdrossenheit. Denn was die FDP macht ist für viele demokratische Parteien üblich. Nur: die FDP regiert nunmal gerade im Bund und steht deshalb besonders im Fokus. Die Grünen erleben gerade das Obama-Phänomen. Viele stecken in diese Partei die Hoffnung sie könne alles anders machen, vieles besser. Man glaubt, dass sie mal "etwas anderes" sind und machen. So wie die Amerikaner 2009 alle Illusionen in Obama steckten, oder in gewisser Weise auch die Deutschen in zu Guttenberg. Es geht um nicht viel mehr als um Hoffnung. Da liegt auch das Problem für die SPD oder auch die CDU: die Deutschen wissen schon was sie erwartet. Die Leute wissen was passiert, wenn Rote oder Schwarze regieren. Was passiert wenn Grüne regieren, muss Deutschland erst noch testen. Es ist das Trial and Error-Prinzip. Versuchen wir's mal mit grün. Nach zwei Jahren grüner Regierung kommt dann die ungrüne Ernüchterung. 

Damit erklärt sich die Ursache für das mangelnde Vertrauen in Parteien. Doch ein viel wesentlicher Faktor ist die Inhaltsleere. Wofür steht die FDP eigentlich? Für Steuerentlastungen der Hotelbranche. Immerhin. Aber es geht doch noch weiter: Wofür steht die SPD? Wofür die CDU? Wofür die Linkspartei? Und wofür die Grünen? Fragen, die für den normalen Wähler überhaupt nicht mehr zu beantworten sind. Woher sollte er das auch wissen? 80-seitige Parteiprogramme mit verquerten Sätzen liest doch eh kein Mensch. Die Parteien sind von dem Phänomen des Opportunismus heimgesucht worden. Parteien reden dem Volk nur noch nach dem Mund. Wenn die Parteien früher die Programme vorgeschlagen haben und den Wähler damit mehr oder weniger überzeugten, hat sich dieser Umstand verkehrt. Die Wähler bestimmen die Programme der Parteien. Und weil das so ist, kann man die Parteien kaum nach an ihren Inhalten unterscheiden. Das beste Beispiel ist die Atomkraft. Wie heuchlerisch es von den ehemaligen Atom-Befürwortern ist zu sagen: Japan habe sie belehrt. Hatten wir nicht schon genug atomare Katastrophen auf der Welt, um diese Lehre auch schon vorher gezogen haben zu können? Wie heuchlerisch ist ein Moratorium, in dem wir eine Ethik-Kommision beauftragen mal zu schauen, was so geht? Und wenn ich schon dabei bin möchte ich Jens Jessen aus der Zeit zitieren: "Das Volk feiert seine wunderbar gehobene Moral. Was hat seine Moral gehoben? Die Betrachtung fernen Unglücks. Das ist die Moral von Menschen, wie der spanische Philosoph Unamuno einmal in einer wunderbaren Parallele gezeigt hat, die das Schicksal einer Katze auf dem Dach beklagen, anstatt ihr herunterzuhelfen. Unamuno nennt das: sentimentalen Snobismus."  

Die Parteien gestalten ihre Politik nicht mehr aus eigener Überzeugung heraus, sondern aus Stimmungen im Volk. Das kann man gut und schlecht finden. Gut, dass sie dem Wähler zuhören, schlecht, dass sie opportunistisch ihr Fähnchen in den Wind halten und eigene Überzeugungen rasch aufgeben. Das hat die FDP so gemacht, die CDU macht das ebenso. Die Sozialdemokraten haben den opportunistischsten Parteivorsitzenden seit ihrer Gründung, verstecken diese Handhabe aber noch weitgehend. Nur die Grünen stehen im Moment auf der Sonnenseite, weil sie zufällig dieselbe Meinung vertreten, wie die Stimmung im Volk ist. Das ist aber eine Momentaufnahme. Das Problem der FDP, ist also kein bloßes FDP-Problem. Es wird nur noch ein bisschen dauern, bis die anderen Parteien die Auswirkungen ihrer Fehler spüren. 



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