Seiten

Alle bekloppt

Drei Dinge, die nicht unbedingt auf den ersten Blick etwas gemein haben: der Eurovision Song Contest in Düsseldorf, die Bundesgartenschau in Koblenz und der Zensus 2011. Nicht nur, dass keine der Veranstaltungen meine volle Sympathie hat, nein. Vielmehr werden dort eine Unmenge an Steuergeldern durch die Luft geblasen. In Koblenz wurden 100 Millionen Euro für Blumen ausgegeben. Die Volkszählung kostet weit über 700 Millionen Euro. Und für den Eurovision Song Contest (im Folgenden ESC, auch wenn ich Abkürzungen nicht mag, aber dieser Name ist mir zu lang) hat die Stadt Düsseldorf kurzerhand ein neues (provisorisches) Stadion (die Lenarena) gebaut, damit Fortuna weiter Fußball spielen kann. Im normalen Stadion, der Esprit-Arena wird ja seit Wochen für den ESC gewerkelt. Kostenpunkt für den Stadionneubau? Unbekannt. Für den Rest beläuft es sich angeblich auf knapp 50 Millionen Euro, allerdings aus ungesicherter Quellenlage. Die Einnahmen werden auf über 120 Millionen Euro kalkuliert. Doch was soll dieser ganze Spöks? Wirkt es nicht erbärmlich lächerlich 100 Millionen Euro für Blumen auszugeben, während wir für Obdachlose, Hartz IV-Empfänger, Kindergärten, Unis, Schulen, Steuersenkungen überhaupt kein Geld haben? 

Lust über Sinn und Unsinn einer Volkszählung zu spekulieren, verspüre ich wenig. Irgendwo kann ich es verstehen, dass der Staat wissen will, wie viele wir eigentlich sind. Warum das allerdings so viel Geld kosten muss verstehe ich nicht. Es erscheint viel sinnvoller die Steuerschluckprojekte der Bundesgartenschau und des ESC zu hinterfragen. Und genau das machen die Deutschen doch am liebsten. "Was soll der ganze Scheiß? Die sind doch alle bekloppt!", heißt es, wenn man über den Berechtigungsgrund solcher Aktionen diskutieren möchte. Und grobschlächtig werden alle auf den ersten Blick "unsozialen" Projekte verurteilt. In eine Tonne geschmissen und ordentlich drauf rumgetreten. Kritik an den Kosten solcher kulturellen Veranstaltungen gibt es schon ewig. Aber warum? Warum fällt es uns Deutschen so schwer, Geld für Kultur auszugeben. 

Und schon wird die Kritik losgehen. Was für eine Kultur? Was ist an Blumen Kultur? Warum ist Lenas "Taken by a Stranger", das doch so grottenschlecht ist, bitte kulturell schützenswert? Es geht nicht um die kleinen Mosaiksteine. Es geht nicht darum, ob jeder der 81-82 Millionen (je nach Ergebnis der Volkszählung) gerne Geranien mag. Oder besonders Pop-Songs. Sondern die Komplexität des Gebildes ist ausschlaggebend. Wer damit leben kann, dass der Staat regelmäßig Fußballveranstaltungen in hohem Maße finanziell subventioniert, muss auch akzeptieren, dass nicht jeder Fußball mag. Der Staat tut viel, in unzähligen verschiedenen Bereichen. Er gibt Steuergelder aus, die wir ihm zur Verfügung stellen. Aber der Staat gibt sie für uns aus, nicht für sich. Es gibt keine Bundesgartenschau nur damit Angela Merkel mit ihrem Mann über Wiesen schlendern kann. Sondern, weil die Bundesrepublik sich präsentieren will. Es geht auch darum sich selbst was zu gönnen. Wir haben schließlich kein Über-/Unterordnungsverhältnis, in dem der Staat dem Volk mal was Gutes tuen sollte. Nein, wir leben in einer parlamentarischen Demokratie. Wir als Volk sind gleichzeitig Staat. Und weil wir Staat sind, geben wir das Geld für uns aus. 

Zweifelsohne gibt es Dinge, in die der Staat investieren muss. Zweifelsohne gibt es wichtigere Dinge als ein paar Blömkes und ein bisschen Sing-Sang. In der bösen kapitalistisch-orientierten Welt müssen wir uns aber auch irgendwie bei Laune halten. Und da gehört es auch dazu, dass Gelder nicht für karitative oder sonstige wertvolle Projekte ausgegeben werden. Da kann es passieren, dass wir den ESC in Düsseldorf veranstalten. Weil wir der Welt ein guter Gastgeber sein wollen. Und weil wir selbst Spaß haben möchten. Spaß am Wettbewerb und Spaß an Blumen. Das ist doch schon mal was. 


her       

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen