Der 9. Mai ist der Stichtag. Warum auch immer, so ganz hab ich das nicht verstanden. Vielleicht hat man bis dahin Zeit den Fragebogen zurückzuschicken. Oder ins Internet einzugeben. Ich weiß es nicht. Dass ich es nicht weiß hängt unter anderem damit zusammen, dass es nicht nur kaum jemand mitkriegt was passiert, sondern dass es die meisten auch überhaupt nicht kümmert. Die Volkszählung 2011, who cares?
Erinnern wir uns nur ganz kurz zurück an das Jahr 1983. Was gab es bei der ersten Volkszählung der Bundesrepublik für Proteste. Eine ganze Volksbewegung wehrte sich gegen den Zensus. Überall erhielt der Widerstand Einzug. Selbst in Fußballstadien kam es zu Protestaktionen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem berühmten Volkszählungs-Urteil Rechtsgeschichte geschrieben. Der Zensus 1983 fand gar nicht statt, weil das, was die damalige Bundesregierung vorhatte, einfach gegen das Grundgesetz verstieß - wie das höchste deutsche Gericht entschied. Der Protest wurde gehört und gerichtlich umgesetzt. Die Volkszählung 1983 wurde vom Gericht verboten. Erst 1987 wurden die Auflagen des Gerichts soweit umgesetzt, dass der Zensus beginnen konnte. Noch heute spielt das Urteil des Gerichts im Bereich des Datenschutzes eine enorm hohe Rolle. Der Protest prägte eine Generation.
Und jetzt? 2011? Widerstand? Protest? Pustekuchen. Diese aberwitzigen Aufkleber, die sich vereinzelt an öffentlichen Orten finden: "Zensus, Nein Danke!" sind wohl eher Ausdruck einer Post It-Generation. Die allerwenigsten erheben die Stimme gegen die jetzt anstehende Volkszählung. Nicht einmal die Wiederständler von 1983 protestieren. Nicht einmal die Datenschützer. Peter Schaar, Bundesbeauftragter für Datenschutz, hat jetzt erklärt, es könne nicht sein, dass man auf dem Fragebogen nach der Religion gefragt würde. Das verstoße gegen das Grundgesetz. Hören tut diese Worte aber niemand. Der Versuch Protest gegen den Zensus zu organisieren scheiterte kläglich. Und weil nur ein Viertel der Bevölkerung befragt wird, weiß kaum jemand vom Zensus. Und kaum jemand interessiert sich dafür. Und das obwohl die Bundesregierung auf unzähligen Plakaten Werbung macht.
Doch woran liegt das? Dass wir als Volk Widerstand leisten können, haben wir auch in der Neuzeit bewiesen. Gegen Atomkraft und Bahnhöfe gingen insgesamt mehrere Millionen Menschen auf die Straßen. An manglender Widerstandsfähigkeit kann es nicht liegen. Protestgrund war damals, dass man Angst vor der Verwertung der erhobenen Daten hatte. Was würde der Staat alles mit den Daten machen können? Hinterher weiß der Staat noch, was ich verdiene und was ich arbeite, und und und. Sorgen und Fragen, die man heute im Zeitalter von Facebook und Co. nur noch belächeln kann. Wenn sich der heutige Facebook-Mensch den Fragebogen durchliest, dann wird er nur lachen können. Dass was dem Staat dort beantwortet werden muss, weiß das Internet schon längst. Und sogar deutlich mehr, als der Staat wissen will. Man zeigt sich nackt im Internet, schreibt von Liebschaften, den Party-Erlebnissen des letzten Wochenendes, man betreibt öffentlichen psychologischen Striptease. Facebook sei dank.
Zensus 2011? Das stört da niemanden mehr. Schade, eigentlich.
her
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