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Europa, wie stolz das klingt.

Ein Plädoyer.

Peer Steinbrück, ehemaliger Bundesminister der Finanzen und jetziger Bundestagsabgeordneter der SPD, schreibt in seiner Kolumne in der aktuellen ZEIT: "Die Stabilität der Euro-Zone, die europäische Integration, das Europa im 21. Jahrhundert als Friedens- und Wohlstandsregion, gekennzeichnet durch Sozialstaatlichkeit, Rechtsstaatlichkeit, Freizügigkeit, Meinungs- und Pressefreiheit sollte uns Deutschen viel wert sein." 
Eigentlich genügte ein solcher Satz für ein Plädoyer für die Europäische Union, für unser Europa. Steinbrück nennt die elementaren Prinzipien der Union: Frieden, Sozial- und Rechtsstaat, Freizügigkeit, Meinungs- und Pressefreiheit und Wohlstand. Wir verwöhnten Deutschen sind solcher konstituierenden Werte und Institutionen gegenüber überheblich geworden. Leben wir in einer Generation, die nicht weiß wie sich Krieg anfühlt und deshalb den Frieden nicht mehr zu schätzen weiß? Oder ist es vielmehr so, dass wir uns sicher geworden sind? Sicher, dass es einfach keinen Krieg mehr gibt? Dass es der Institution der Europäischen Union überhaupt nicht mehr bedarf, genau aus diesem Grunde? 

Es ist ja nicht so, dass wir mit unseren Werten, unseren demokratischen Vorstellungen nichts mehr anfangen könnten. Als wäre irgendjemand ernsthaft bereit auf eines der von Steinbrück aufgezählten Dinge zu verzichten. Natürlich nicht, wir alle wollen auf Grundlage unserer freiheitlichen, demokratischen Grundordnung friedlich und gut leben. Aber offenbar glauben wir Deutsche es auch ohne Europäische Union schaffen zu können. Ganz allein. Deutschland gegen alle. "Unsere Wirtschaft funktioniert doch, nur die Griechen sind zu blöd. Das ist doch ihr Problem." Eine leider beliebte und zu oft propagierte These - und das nicht nur vom "Fußvolk", sondern auch von Politikern. Wo der Zusammenhang ist, zwischen Griechenlands missratener Wirtschaft und unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung? Die Antwort ist eine Frage: Sollte Griechenland insolvent sein, was bedeutet  das dann für uns Europäer? Was würde eine griechische Staatspleite für Folgen für den Euro und überhaupt für die Europäische Union haben? Wirklich wissen tut das niemand. Aber völlig ausschließen, dass der Euro in Mitleidenschaft gerät, kann das niemand. Auch nicht, dass in der Folge von Staatspleite andere Staaten aus der Europäischen Union austreten. 

"Schmeißt sie doch raus die Griechen, aus der EU!", könnte die einfache Parole lauten. Einfach rausschmeißen. Als wären wir ein großer Kegelklub und die Familie Griechenland hätte seit zwei Jahren keine Runde mehr gegeben. Mit Verlaub, so einfach ist es doch nicht. Die Europäische Union ist eine Wertegemeinschaft und Griechenland das Mutterland der Demokratie. Helmut Schmidt schreibt in derselben Zeitung wie Steinbrück: "Ein ganz großer Teil der europäischen Zivilsation beruht auf den Leistungen großer Griechen." Homer, Euripides, Sophokles, Sokrates, Platon, Aristoteles, Perikles - das sind seine Beispiele mit denen er Respekt vor dem griechischen Volk einzufordern versucht. Gelingt ihm das? 
Arrogante, überhebliche Gedanken sind das, wenn wir sagen wir seien nicht auf die Griechen angewiesen. "Die griechen nix hin", titelt die Bild. Die Stammtische stimmen zu und Frau Merkel bedient das Klischee der faulen Südeuropäer, die nicht in der Lage sind vernünftig zu wirtschaften und zu arbeiten. 

Doch was ist das Griechenland, das wir wahrnehmen? Sind es die unfähigen, populistischen und verantwortungslosen griechischen Politiker - Regierung und Opposition - dann wäre eine ablehnende Haltung kein Wunder. Denken wir an Olivenöl und Fetakäse als einziges Exportmittel? Dann gilt das gleiche. Doch wer denkt an die Jugend, an junge Leute, die arbeiten wollen, die das Land wieder aufbauen wollen, die das auch könnten, aber nicht gelassen werden? Auf dem Syntagma-Platz in Athen haben Griechen eine Parallel-Demokratie geschaffen, in der sie symbolisch demonstrieren wollen, wie es gehen müsste. Die kriegen wohl was hin, die Frage ist nur wo wir hingucken, um zu suchen. Und wer sind wir überhaupt, dass wir über Griechenland urteilen zu dürfen? Glauben wir ernsthaft Arroganz und Überheblichkeit gegenüber dem griechischen Volk würde dadurch legitimiert, dass wir - wie viele andere auch - Geld in den griechischen Rettungsschirm stecken? Armes Deutschland. 

Das alles ist natürlich auch kein Grund für einen Freifahrtschein. Kein "Weiter so". In Griechenland muss einiges passieren, aber eben nunmal auch im Rest der Europäischen Union. Und das fängt im Kopf an. Wir müssen an unserer europäischen Einstellung arbeiten. Dazu benötigen wir Argumente für die EU. Die von Peer Steinbrück genannten sind da zu nennen, aber unsere Regierung ist angehalten uns mehr von Europa zu überzeugen. Beachten wir in der politischen Klasse eine Lari-Fari-Einstellung, nachdem Motto "Dann verlieren wir die Griechen halt", dann denken auch wir so wichtig könne das alles ja gar nicht sein. Ist es aber doch, wir müssen da schlauer sein als die Regierung. Wie wichtig wäre jetzt ein Finanzminister oder besser Kanzler Peer Steinbrück, der weiß was er tut. Der argumentieren kann für Europa. Stattdessen sitzt unsere Bundeskanzlerin bei Obama am Kaffeetisch und lässt sich zujubeln. Seitdem ward sie nicht mehr gesehen. Gibt es sie überhaupt noch? Und hat sie mal für Europa argumentiert? Lautstark? Und überzeugend? 

Wenn es doch keine Euro-Krise gibt, wie viele sagen, dann gibt es zumindest eine Krise für die Europäische Union, in der ihr das Vertrauen abhanden kommt und an der Existenzberechtigung gezweifelt wird. Leidenschaftlich muss für das Europäische Projekt gekämpft und argumentiert werden. Sonst? Wer weiß. 

"Nachdem wir für die deutsche Wiedervereingigun, die es ohne dieses Europa nicht gäbe, über 20 Jahre etwa 2000 Milliarden Euro aufgebracht haben, ist uns Europa nicht einmal ein Zwanzigstel davon über mehrere Jahre wert?", fragt Steinbrück. Hoffentlich schon. 


her 

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