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Gruselkabinett

Henning Rasche

Um den Erkenntnisgewinn der nordrhein-westfälischen Landtagswahlen vom vergangenen Sonntag bestimmen zu können, bedarf es keiner großen analytischen Fähigkeiten. Die SPD hat die Wahl so eindrucksvoll gewonnen, weil sie mit Hannelore Kraft eine glaubwürdige und bodenständige Amtsinhaberin ins Rennen schickte. Sie versteht, was die Menschen an Rhein und Ruhr bewegt und zeigt ihnen das auch. Die CDU hat die Wahl so eindrucksvoll verloren, weil sie mit Norbert Röttgen einen unglaubwürdigen und verkrampften Minister aus Berlin ins Rennen schickte. Er verstand nicht, was die Menschen an Rhein und Ruhr bewegt, jedenfalls konnte er das nicht zeigen. Die FDP holte ein überraschend gutes Ergebnis, weil sie mit Christian Lindner den Liberalen aufbot, der sich - ähnlich wie Wolfgang Kubicki - größtmöglich von der Bundespartei abzugrenzen versucht. In Nordrhein-Westfalen vermied Lindner jegliche Verbindung nach Berlin. Die Piraten bleiben als Parteienattrappe weiter interessant, die Linke als selbige uninteressant. 


 
Dennoch lässt sich aus dem Wahlergebnis eine Menge herleiten. Beispielsweise, dass sich die Wähler in Nordrhein-Westfalen in erster Linie auf Persönlichkeiten - vorausgesetzt es gibt eine - fixieren, weniger auf Parteiprogramme. Das sieht man an Norbert Röttgen, der sich in seinem furchtbaren Wahlkampf zur peinlichen Nummer degradierte. Das sieht man aber wohl noch viel mehr an dem phänomenalen Abschneiden der SPD. Hannelore Kraft gilt als integere, zuverlässige und ehrliche Person - sogar über die Grenzen Nordrhein-Westfalens hinaus. Ihre Strahlkraft vermochte es selbst hart gesottene CDU-Hardliner zur Wahl der Sozialdemokraten zu bewegen. Kraft als die Landesmutter, die sich auf der Straße die Sorgen der Bürger anhört. Röttgen als verkrampfter Akademiker, der Kinder im Wahlkampf siezte, der es bedauerlich fand, dass die Wähler entscheiden und den "Tatort" in Dortmund - der erst im Herbst ausgestrahlt wird - ähnlich gut findet, wie den Kölner. Dieses Persönlichkeitsdenken der Wähler wird von Medien verursacht, die trotz allem Röttgens Fernsehgewohnheiten spannender finden, als manche Sachfrage. Das ist durchaus zu Bedauern. 

Es lässt sich für die Sozialdemokraten auf Bundesebene aus der Wahl sogar ein gewaltiges Problem herleiten. Es ist dasjenige, das die Sozis seit nunmehr einem Jahr vor sich hertragen. Es ist die Frage der Kanzlerkandidatur. Kraft ist dafür nach ihrem Wahlsieg im Gespräch, ob sie auch in der Lage wäre Frau Merkel zu schlagen, darüber lässt sich nur spekulieren. Daran dürfen zumindest Zweifel angemeldet werden. Doch wäre sie enorm schlecht beraten, wenn sie dem Ruf nach Berlin schon 2013 nachkäme. Sie hat sich festgelegt und ihre politische Heimat in Düsseldorf markiert. Das Kraftsche Faustpfand, die Glaubwürdigkeit, wäre bei einem Wechsel nach Berlin dahin. Ein Duell Kraft gegen Merkel würde im schlimmsten Falle so aussehen, wie ein Duell Röttgen gegen Kraft. Verständlich ist ein Ruf nach Hannelore Kraft aber durchaus. Die Troika aus Steinbrück, Steinmeier und Gabriel wirkt blass. Ihre Strahlkraft ist dahin. Jeder der drei würde, geschieht kein Wunder mehr, gegen Merkel verlieren. Das läge dann auch daran, dass sich Sozialdemokraten immer noch nicht klar zu ihrer überaus erfolgreichen Agenda 2010 bekennen können und im europapolitischen Kurs zwischen strikter Ablehnung und Zustimmung zu Merkel schwanken. Die SPD muss noch eine Menge tun, will sie Merkel gefährlich werden. Vielleicht muss sie bei der Kandidatensuche auch noch mal nach links oder rechts schauen. 

Nun wirken die Sorgen der Sozis aber gegen die der CDU - wobei sich nicht mehr leicht zwischen CDU und Merkel differenzieren lässt, weil Merkel ist CDU und CDU ist Merkel - wie ein Luxusproblem. Mit Norbert Röttgen kehrt nun ein Umweltminister nach Berlin ins Merkelsche Kabinett zurück, der politisch von den nordrhein-westfälischen Wählern ermordet wurde. Er wird gemeinsam mit Philipp Rösler und Guido Westerwelle (Dirk Niebel und Daniel Bahr wären weitere Kandidaten dafür) nun der dritte politisch Untote im Gruselkabinett sein. Westerwelle ist spätestens seit dem Königsmord an der FDP-Spitze eine persona non grata auf der politischen Bühne; Rösler spätestens seitdem er FDP-Vorsitzender ist und Merkel mit Fröschen in Kochtöpfen vergleicht. Diese drei Männer sind handlungsunfähig, weil sie Minister von Merkels Gnaden sind. Merkel hält sich diese drei Männer wie Haustiere, denen der Steuerzahler aber bitter teures Futter in den Käfig bringen muss. Es ist erstaunlich, wie sich die Bundesrepublik Deutschland den Luxus leistet, solche Männer in höchsten Staatsämtern auszuhalten. Angela Merkel wirkt da - der Vergleich von Herrn Plasberg hinkt da nicht - wie die Leiterin einer Reha-Klinik. In Zeiten der größten Krise in der europäischen Union seit ihrer Gründung leistet sich Deutschland das schlechtestmögliche politische Personal. Da ist es weniger peinlich ein Kind zu siezen.

  

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