"Sehr geehrte Damen und Herren auf Gleis 17, bitte beachten Sie: Regionalexpress fünf nach Emmerich über Düsseldorf Flughafen wird voraussichtlich fünf bis zehn Minuten später eintreffen."
Standardansage. Man hört sie egal zu welcher Uhrzeit. Immer mit der selben Betonung, denn neuerdings kommt sie vom Band, die Ansage. Eine alte Bekannte, die Frau, die einem im Auto auch den Weg aus dem Navi vorliest, trifft man jetzt am Bahnhof. Welche Freude, was für eine Vertrautheit. Wenn da nicht der Inhalt des Satzes wäre, der Zug auf den sehnsüchtig gewartet wird, kommt mal wieder zu spät.
"Typisch", denkt der eine, der nächste verdreht genervt die Augen, immer wieder beobachtet man Frauen und Männer, die panisch auf ihre Uhren schauen. Allein dadurch laufen sie aber auch nicht schneller. Der Mann im Anzug, der auf seinem wichtigen Business-Rollkoffer noch seine Aktentasche plaziert hat, spricht ähnliche Flüche aus, wie Hermine Granger, die Besen verzaubern und Brände löschen kann. Die von dem Mann werden aber wohl weit weniger freundlich sein. "Die Scheiß Bahn", "Meine Fresse...", "Das darf doch nicht wahr sein", "Was für ein Drecksladen",..., die Aufzählung könnte unendlich fortgesetzt werden.
Denn die Deutsche Bahn ist ein Hassobjekt. Egal wer wofür genau verantwortlich ist oder ob die Bahn überhaupt Schuld ist, verteufelt wird immer nur die Bahn. Jeder Pendler kann seine eigenen Geschichten erzählen, was ihm alles schon für ein Mist mit der Bahn passiert ist. Es gibt wirklich viele Dinge, die einfach nur unverständlich sind. Wie kann es sein, dass Laub auf den Schienen zu Verzögerungen und Zugausfällen führt ? Wieso fahren in Südsibirien bei minus 50 Grad die Züge immer noch, aber in Nordrhein-Westfalen geht schon bei minus 5 Grad nichts mehr ? Wer verursacht eigentlich diese ständigen "Störungen im Betriebsablauf"? Und, ist bei einem Schaden am Triebwerk wirklich ein Schaden am Triebwerk oder muss der Lokführer einfach mal pinkeln ? Warum muss man eigentlich grundsätzlich in Doppeldecker-Zügen stehen, obwohl das Platzangebot doch so reichlich ist? Wieso kann das Zugpersonal nicht mal ein bisschen Rücksicht darauf nehmen und nicht in solchen Momenten auch noch die Fahrkarten kontrollieren?
Man weiß es nicht, würde Max Giermann in seinem Stefan Raab-Kostüm wohl sagen.
Aber mal ganz ehrlich, wie oft kommt es denn wirklich mal vor, dass man Ärger hat ? Es ist nicht so, dass jeder Zug notorisch Verspätung hat, ganz gewiss nicht. Meistens ist das Zugpersonal sogar sehr freundlich und erklärt auch bereitwillig alles, was man wissen will oder auch nicht wissen will. Fünf Minuten Verspätung, na und ? Wenn ich im Stau auf der A3 stehe, stehe ich da nicht nur fünf, sondern zehn oder gar 15 Minuten. Also cool down.
Es passt natürlich wieder gut ins Bild der bekennenden Bahn-Hasser, was witzigerweise die meisten Pendler sind, dass die Bahn für den morgigen Dienstag Warnstreiks angekündigt hat. Keiner weiß so genau, wann und wo gestreikt wird und ob man davon betroffen ist. Das schürt natürlich den Hass auf die Bahn. Für die Hintergründe des Streiks interessiert sich nämlich keiner, es wissen nur die wenigsten, dass die Bahn da nicht den Hauch einer Schuld dran trägt. Sondern dieses Mal darf man guten Gewissens mit dem Finger auf die Privatbahnen zeigen, die sich sonst immer geschmeidig aus der Affäre ziehen.
Die Bahn ist ein Hassobjekt. In den Augen viel zu Vieler. Ich bekenne mich zu der anderen Seite. Ich liebe die Bahn. Es gibt für mich nichts entspannenderes als Bahnfahren. Einsteigen, aussteigen. Fertig. Dazwischen Zeitung lesen, Kaffee trinken, Pläuschchen halten, geheime Gespräche belauschen, herrlich. Völlig stressfrei. Daran ändert auch nichts, dass ich mal zehn Minuten später nach Hause komme. Wer ins Auto einsteigt, rechnet fest mit Stau. Wer mit der Bahn fährt, rastet bei fünf Minuten Verspätung schon aus. Da passt doch was nicht zusammen.
Am liebsten fahre ich mit der Regionalbahn. Wenn der Zug im Düsseldorfer Hauptbahnhof endet, wünscht mir der gut gelaunte Zugbegleiter durch den Lautsprecher einen wunderschönen Morgen und einen schönen Arbeitstag. Ist das nicht herrlich ? Das kann die Frau im Navi nicht.
Also, Ruhe bewahren. Durch ständige Blicke auf die Uhr oder wildes Rumfluchen kommen die Züge nicht schneller. Und je mehr man das Personal anmault, desto mehr mault es auch zurück. Verständlich. Denn nicht der Fahrkartenkontroller hat den Baum auf die Schienen gelegt, sondern das Wetter. Und wenn die Mitarbeiter der Bahn streiken, dann streiken sie halt. Halb so wild. Das meiste fährt ja noch. Und wenn mir der Stress auf den Gleisen zu viel wird, kann ich ja immer noch zum Stress auf die Straße wechseln.
Wahre Worte. Habe heute vergeblich versucht, eine Freundin zu beruhigen, die sich wegen des Streiks komplett aufgeregt hat. Dummerweise kann man dafür ja eher selten die Bahn an sich beschuldigen, denn der wäre es ja auch lieber, wenn ihre Angestellten einfach nicht streiken würden...Ich würde nicht sagen, dass ich die Bahn liebe, aber ich fahre gerne Zug, und solange die Verspätung mich nicht zu viel Lebenszeit kostet kann ich das auch verkraften.
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