Anfänglich sei klargestellt, dass der tragische Unfall des Studenten während seiner Wette in der ZDF-Sendung "Wetten dass...?" nicht verharmlost oder verunglimpft werden soll. Es ist bemitleidenswert unglücklich was ihm zugestoßen ist - ohne jede Ironie, ohne jeden Zweifel.
Wie viel Aufregung in den Medien benötigen wir? Müssen wir auf jeder Tageszeitung das Bild von dem jungen Mann sehen, der vor laufenden Kameras verunglückte? Oder Otto Waalkes und Sara Nuru, die sich voller Sorgen die Hand vor den Mund halten?
"Das ZDF brach die Sendung richtigerweise ab", liest man in jedem Bericht, jedem Kommentar, jeder Fernsehfuzzi pflichtet bei. Sogar Robbie Williams, der mit Take That in der Sendung auftreten sollte, sagte nach der Sendung, dass es richtig war aufzuhören. Ja bitte, aber was denn auch sonst? Das kann doch nicht der Ernst sein, dass man das positiv feststellen muss, dass das gut war. Es war nicht gut, es war erforderlich. Notwendigerweise brach das ZDF die Sendung ab, wer weiß was uns an medialer Debatte ins Hause stände, wenn der Sender das nicht getan hätte. Trotzdem ist die Aufregung groß, "das ZDF will Konsequenzen ziehen", heißt es jetzt. Was denn für Konsequenzen? Wollen sie jede Wette vor dem Training einer Verhältnismäßigkeitsprüfung unterziehen oder wie? "Die Gefahr ist für den Kandidaten gerade noch hinnehmbar, hier erlebt der Zuschauer ausreichend Nervenkitzel", oder wie haben wir uns das jetzt vorzustellen? Es kann doch nicht der Ernst des ZDF sein zu überlegen, ob sie die Sendung absetzen wollen. Sicher, der Unfall ist immer noch tragisch, aber das spricht doch nicht gegen die Sendung. Gegen das Format "Wetten dass...?" sprechen tausend Gründe.
Die einstige Familiensendung leidet unter einem Quoteneinbruch. Die Show hat sich zu einer Dauerwerbesendung entwickelt, ähnlich wie bei "TV Total" könnte man doch ohne weiteres verlangen, hier oben rechts das Wörtchen einzublenden. Denn es passiert letzten Endes doch nichts anderes. Sara Nuru und Otto machen Werbung für ihren neuen Kinofilm, Take That für ihre Wiedervereinigung, die bei manchen mehr Begeisterung hervorgerufen hat, als die historische vor zwanzig Jahren, Justin Bieber für seine Deutschlandtour und so weiter und so fort. Kein Mensch kommt mehr in die Sendung, nur weil er berühmt ist und der Sendung beiwohnen will oder gar wegen der Wetten. Nein, alles hängt vom Werbecharakter ab. Das ist das riesige Manko der Sendung, deswegen könnten sie das Format dringend formatieren. Aber doch nicht wegen des Unfalls. Was gab es nicht alles schon für Wetten, wo sich Leute sogar des Lebens gefährdet haben. Nie hat sich jemand empört, am Ende wurde derjenige Wettkönig, der am meisten riskiert hat. Den Leuten gefällt es doch, wenn es ein bisschen Nervenkitzel gibt. Jetzt den Zeigefinger zu erheben und zu sagen "Wie konnte das böse ZDF nur eine solche Wette zulassen?" ist skandalös. Nicht das ZDF trägt die Schuld daran, dass es zu einem solchen Unfall kam. So bitter das jetzt klingt, aber die Schuld wird wohl der Verletzte leider selber haben. Das ZDF erlaubt seit Beginn der Show vor Jahrzehnten so gewagte Wetten, weil die Zuschauer es ein Stück weit einfach verlangen. Während bei RTL Daniel Küblböck mit Klapperschlangen im Dschungelcamp schwimmt, spielt der Wettkandidat im ZDF mit dem Jojo. Wer drückt denn dann noch die "Zwei" auf der Fernbedienung? Nein, da muss sich auch jeder Zuschauer an die eigene Nase fassen und überlegen, ob er nicht gerne solch gefährliche Wetten sieht.
Typisch aber für die deutsche Medienwelt ist der unglaubliche Buhei, der um das Ereignis veranstaltet wird. Sofort wird alles in Frage gestellt, "Ist das deutsche TV zu gefährlich?", die Medien machen es fast unmöglich ein solches Ereignis richtig einzuordnen. Dass die ARD nicht noch einen Brennpunkt zeigte, ist ein erstaunliches Wunder. Vielleicht sind die Medien ja selbst überrascht, wie leicht auch mal was in dem sicherheitsfanatischen Fernsehen schief laufen kann. Jeder Gast ist am rechten Platz drapiert, damit der Hübsche in der Bildmitte sitzt und der Hässliche weit außen nicht von der Kamera eingefangen wird. Jedes Kärtchen ist mit tausend Vermerken versehen, was passiert wenn...? Aber für einen Unfall, der so unvorhersehbar auch nicht sein kann, liegt kein Schema F vor. Wie der Name schon sagt, einen Unfall kann man nicht planen. Vielleicht ist es gerade das, was die TV-Medienwelt so überrascht, das sie nicht alles planen kann.
her
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