Am Dienstag hatte Julian Assange um halb zehn morgens einen Termin auf dem Polizeipräsidium nahe Westminster in London. Sein Anwalt Marc Stephens hatte der örtlichen Polizei ein Kommen Assanges angekündigt. Daraufhin wurde er festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Kurzum, Assange hat sich freiwillig der britischen Polizei gestellt. Wenn jemand verhaftet wird, drängt sich üblicherweise die Frage auf wofür derjenige belangt werden soll. Im Falle Assanges, dem Gründer und Chef von wikileaks, liegt es Nahe die Festnahme in Zusammenhang mit den zuletzt veröffentlichten Dokumenten zu sehen.
Doch wird Assange zunächst etwas vollkommen anderes zur Last gelegt. Er habe im Sommer in Schweden zwei Frauen gezwungen mit ihm ungeschützten Geschlechtsverkehr zu haben. Zunächst soll dies im gegenseitigen Einvernehmen geschehen sein, anschließend wollte Assange angeblich auf den Schutz verzichten und zwang die Frauen dann. Unbestritten ist, dass Assange kurz hintereinander, also innerhalb weniger Tage, mit den beiden Damen Sex hatte. Nun, seither sind die beiden Frauen immer wieder bei der schwedischen Polizei aufgetaucht und haben die Behörden soweit gebracht, dass sie Haftbefehl erlassen haben. Erst einmal, dann ein zweites Mal, und jetzt ein drittes Mal. Die beiden vorherigen waren wohl zu schwach. Die Briten sind verpflichtet Amtshilfe zu leisten, soll heißen sie müssen Assange festnehmen, wenn die Schweden es so wollen - in der EU sollen die Behörden zusammenhalten.
Jetzt kann man von wikileaks halten was man will. Zwischen seiner Organisation und dem Haftbefehl besteht nämlich offiziell überhaupt kein Zusammenhang. Lediglich Befürworter und Förderer wikileaks' und Assange selber haben sich eine Verschwörungstheorie ausgedacht. Die Schweden suchen ihn, wollen ihn dann von den Briten nach Schweden ausliefern lassen. Aber eigentlich stecken hinter alldem die bösen Amerikaner. Denn die wollen dann eine Auslieferung von Schweden in die USA beantragen. Um ihn dann wegen wikileaks zu belangen. Die beiden Frauen seien Sex-Spione der USA, so Assange. Sie haben ihn in diese böse Falle gelockt, meint er.
In der Tat ist es so, dass die Amis bereits versuchen eine Anklage anzufertigen. Leider völlig erfolglos. Es gibt in den USA kein Gesetz, gegen dass Julian Assange verstoßen haben könnte, nur durch die Veröffentlichung von geheimen Dokumenten. Der US-Justizminister will angeblich ein Gesetz aus dem 1. Weltkrieg anwenden, nur um den Mann irgendwie in den Knast zu kriegen.
Das dürfte allerdings zumindest für die Amerikaner schwierig werden.
Für alle Straftäter gilt grundsätzlich "in dubio pro reo" - im Zweifel für den Angeklagten. Im Falle von Julian Assange kann hier nun keine Rede davon sein. Die Behörden verurteilen ihn wegen Geheimnisverrat, Sarah Palin nennt ihn gar einen Terroristen mit "Blut an den Händen". Es ist kurios, wie hier zwei völlig unterschiedliche Sachverhalte durcheinander verwuselt werden.
Wenn Assange jemanden zu ungeschütztem Geschlechtsverkehr gezwungen hat, ist er dafür zu bestrafen, ganz einfach. Aber das muss in einem ordentlichen Gerichtsverfahren erst einmal bewiesen werden, wie bei jedem anderen auch. Selbst wenn bei Vergewaltigungsvorwürfen ganz schnell der mutmaßliche Täter vorverurteilt wird, von wegen pro reo - siehe Fall Kachelmann.
Wegen Geheimnisverrat jedenfalls wird er nicht in den Knast gehen, da bin ich mir sicher. Jedenfalls wird dies nicht die offizielle Begründung sein. Sollte er tatsächlich an die USA ausgeliefert werden, kann ich für nichts mehr garantieren. Wir alle wissen, wozu die USA fähig sind.
Wikileaks jedenfalls kann sich auf sehr starke Grundrechte berufen: Meinungsfreiheit. Rechtlich dürfte relativ schwierig gegen ihn vorzugehen sein. Probleme gibt es bei wikileaks ganz andere. Der Journalismus, der einst dafür geschaffen wurde, Informationen zu gewichten, zu filtern und verständlich verpackt an den Bürger weiterzugeben, soll hier ausgeklingt werden, indem Assange Roh-Informationen ins Netz stellt. Tatsächlich liest sich das aber kaum jemand durch und alle greifen auf die gefilterten Aussagen von den Journalisten zurück.
Ob wikileaks überlebt, mit Assange im Knast oder nicht, dürfte daher äußerst fraglich sein.
her
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