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Die verlorenen Sieger

Es kam wie es kommen musste. Kaum ergreife ich Partei für die Rot-Grüne Regierung in Nordrhein-Westfalen, so erweist sich die Porosität. Der Verfassungsgerichtshof in Münster hat nämlich eine einstweilige Anordnung gegenüber der Landesregierung erlassen. Diese darf ab sofort keine neuen Kredite mehr aufnehmen, bis die Verfassungsmäßigkeit des Nachtragshaushaltes 2010 geklärt ist. Im Detail ist das keine leichte Frage, die zur Diskussion steht. Womöglich von Laien, wie uns normalen Bürgern, auch gar nicht zu beantworten. In gewisser Weise zeigt sich hier die Abhängigkeit zur Informationspflicht des Staates. Aber trotzdem, auf einen Bruchteil reduziert bedeutet das ungefähr so viel: 
Der Haushalt, der Ende 2010 vom Landtag beschlossen wurde, sieht eine enorme Neuverschuldung vor. Kredite müssen unweigerlich aufgenommen werden, aber auch die Zinsen fallen immer weiter zur Last. Der Verfassungsgerichtshof hat jetzt schon mal seine Bedenken angemeldet, ob der Haushalt verfassungswidrig sei. Diese Frage ist noch nicht abschließend geklärt, wird auch wohl erst nach der mündlichen Verhandlung am 15. Februar passieren. Nur um schon mal sicher zu gehen, dass es nicht noch schlimmer wird, hat das Gericht also diese Anordnung erlassen. Das ist die rein faktische Betrachtungslage. 

Politisch gesehen bedeutet das etwas anderes. Denn diese Anordnung und überhaupt das ganze Verfahren hätte es nicht gegeben, wenn die Fraktionen von CDU und FDP nicht geklagt hätten. Da sie aber nun geklagt haben, müssen sie auch mit dem Ergebnis leben. Der Haushalt an sich ist nämlich für das Fortbestehen einer Regierung von erheblicher Bedeutung. Ist das Parlament nicht mehr in der Lage den Haushalt, in Gesetzesform, zu verabschieden, ist er handlungsunfähig und wird sich wohl daher auflösen. In NRW geht das mit der absoluten Mehrheit der Abgeordneten, also mit 91 Stimmen. Rot-Grün kommt bekannterweise auf exakt 90. Wird der Haushalt also demnächst vom nordrhein-westfälischen Verfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt, werden Neuwahlen zumindest erheblich wahrscheinlicher. Was das im Detail bedeutet, habe ich schon Montag aufgezeigt. FDP und Linke dürften nicht mehr mit dem Einzug ins Parlament rechnen, die CDU wäre wohl wieder nicht an der Regierung beteiligt, weil Rot-Grün die absolute Mehrheit wohl locker erreichen dürfte. Daher ist es gerade zu absurd, dass Schwarz-Gelb gegen den Haushalt geklagt hat. Scheinbar gedankenlos. Denn jetzt, wo sie gut zu Neuwahlen kommen könnten, wollen sie natürlich keine. Aber was genau wollten sie dann mit der Klage erreichen? Norbert Röttgen, neuerdings CDU-Landeschef, möchte der "Landesregierung noch eine Chance" zur Korrektur geben. Dieser scheint sich noch nicht seiner Bedeutungslosigkeit für NRW bewusst zu sein. Aber grundsätzlich sollte doch gelten: Wer aufzeigen will, dass eine Regierung etwas verfassungswidriges getan hat, sollte doch Neuwahlen anstreben, weil er von sich glaubt es verfassungsgemäß tun zu können. Wer allerdings, wie CDU und FDP aufzeigen möchte, dass SPD und Grüne etwas verfassungswidriges getan haben und hinterher nicht davon überzeugt ist, es besser zu machen, blamiert sich schlußendlich nur selbst. 
Das einseitige Flirten von CDU und FDP doch bitte in die Regierung aufgenommen zu werden, erscheint so in einem noch absurderen Licht. Wenn sie jetzt in die Regierung einsteigen, dann begehen sie den Verfassungsbruch ja selbst. Wie kann ich denn einer Regierung, der ich Verfassungsbruch vorwerfe, meine Mitarbeit zusagen? Wenn Schwarz-Gelb so überzeugt davon ist, dass Rot-Grün es schlecht macht, wieso wollen sie dann in die Regierung? 

Das ist nicht nur völlig inkonsequent, sondern auch extrem verwirrend.

Jetzt gewinnen die Fraktionen von CDU und FDP vor dem Verfassungsgericht schonmal die erste Etappe, wissen aber überhaupt nichts damit anzufangen. Normalerweise müsste eine Opposition dies ausschlachten bis zum geht nicht mehr. Aber es passiert nichts. Sie wirken mit ihrem eigens erwirkten Ergebnis hilflos und vor allem verängstigt. Angst vor dem Wähler, kann man das nennen. Angst vor Neuwahlen. 

Klappe, die nächste.
her

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