Als ich letztlich von einer Umfrage in der deutschen Bevölkerung hörte, in welche Instanz sie denn noch Vertrauen hätten - also zum Beispiel die Kirchen, die Bundeskanzlerin oder die Parteien - war die meist genannte Antwort das Bundesverfassungsgericht. Auch wenn man nicht die kleinsten Details seines Zusammenwirkens versteht, man weiß, dass das höchste deutsche Gericht so etwas wie ein Rückhalt ist. Immer wieder hat es dem Volk unter Beweis gestellt, dass es sich durchaus traut dem Gesetzgeber auf die Finger zu schlagen und zu sagen: "So, liebe Politiker geht es nicht!". Beispiele dafür sind hinlänglich bekannt und ihre Auswirkungen zeigen sich noch heute: siehe Vorratsdatenspeicherung, Hartz IV, Rauchverbot in Bayern oder der Bundeswehreinsatz in Heiligendamm. Das Bundesverfassungsgericht hat nicht nur ein hohes Ansehen, sondern auch die Kompetenz und die Macht, um die allerwichtigsten Entscheidungen in der Bundesrepublik zu treffen. Aber auch, und eher vor allem abseits der Politik springt es immer für die Grundrechte, die Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat, ein. Das ist zwar seine Aufgabe, aber das Bundesverfassungsgericht fällt unzählige wichtige Entscheidungen, in denen es dem Staat immer wieder verbietet bestimmte Grundrechte wahllos zu beschneiden, siehe Meinungsfreiheit für Rechtsradikale. Kurz um: das Gericht hat nicht umsonst ein solch hohes Ansehen in der Bevölkerung, es hat sich seinen Ruf mit Mühe erkämpft.
Ein wichtiger Aspekt, der dieses Ansehen stützt, ist die Unbekanntheit der Richter. Hätte man an obige Umfrage eine Nachfrage angeknüpft: "Nennen Sie einen Richter des Bundesverfassungsgerichts!", so hätten die meisten wohl passen müssen. Wer sich nicht gerade von Berufs wegen mit der Besetzung des Gerichts auseinandersetzt oder täglich Protokoll in den Zeitungen über die Namen führt, der wird maximal noch den Präsidenten Dr. Andreas Voßkuhle nennen können. Aber das ist keines Falls ein Umstand, dessen man sich schämen müsste. Denn genau davon lebt das Bundesverfassungsgericht. Es sind keine öffentlichen Personen, die die wichtigsten Entscheidungen im Land fällen. Man kennt sie einfach nicht und deshalb haben sie ein so hohes Ansehen. Säßen im Gericht Karl-Theodor zu Guttenberg, auf den neuerlich sogar die Bild Einfluss zu haben scheint, Guido Westerwelle oder Sigmar Gabriel, so würde die Bevölkerung wohl auch nur noch über das Gericht stöhnen. Das Ansehen wäre dahin. Wenn man etwas am Bundesverfassungsgericht bemängeln könnte, so ist es der Modus in dem die Richter gewählt werden. Das kann man zwar nicht dem Gericht selbst vorwerfen, sondern eher der Politik, dennoch haftet es ein wenig an ihm. Denn ringsum dürfen die Fraktionen immer einen Kandidaten "bestimmen". Nach einer festgelegten Reihenfolge sind es möglicherweise erst die Grünen, dann die FDP, CDU, SPD und anschließend die Linkspartei, die einen Kandidaten für das höchste deutsche Richteramt benennen können. Offiziell werden diese dann vom Bundesrat gewählt, ihre Wahl wird vorher allerdings zwischen den Fraktionen abgesprochen. Der Modus ist ähnlich durchsichtig wie die Papstwahl, bei der sich die Kardinäle in einen Raum einschließen und fortwährend Stimmzettel verbrennen. Komischerweise hat das Gericht selbst, dessen Aufgabe es wäre den Modus für verfassungswidrig zu erklären, die Praxis noch nicht geändert. Schließlich profitieren die Richter doch von dieser Regelung, werden sie doch von den Politikern gewählt. Die Vertrauensabhängigkeit ist dennoch erstaunlich gering und das ist auch gut so. Die Richter fühlen sich den Politikern, mit Ausnahme in dieser Angelegeneheit, nicht verpflichtet. Auch ihre Unabhängigkeit ist ein wichtiges Steckenpferd für das Vertrauen. Natürlich gehören die Richter auch der einen oder anderen Partei an, da der Mix aber so kunterbunt ist und Senatsmehrheiten für Entscheidungen benötigt werden, besteht kein Anlass zur Beunruhigung.
Einen Anlass dazu gibt allerdings der Noch-Ministerpräsident Peter Müller aus dem Saarland von der CDU. Dieser erklärte kürzlich sich aus der Politik zurückzuziehen. Also "zurückzuziehen". Denn was will er tun mit seiner freien Zeit? Er will den Ende 2011 frei werdenden Sitz des Richters Udo di Fabio übernehmen. Das wünscht er sich gerne. Ein aktiver Politiker würde mit einem halben Jahr Pause ans Bundesverfassungsgericht wechseln, würde man seinem Wunsch nachkommen. Die hessische FDP, immer mal wieder für den einen oder anderen Wortausbruch und für Stimmungsmache bekannt, hat in einem sehr richtigen Schreiben darum gebeten, dass Müller sich diesen Schritt doch bitte sparen solle. Als die SPD vor 15 Jahren Herta Däubler-Gmelin, damalige stellvertretende SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzende, als Richterin für das Gericht vorschlug, lehnte die CDU dies ab. Die Begründung lautete: "Zu politisch". Zweifelsfrei, es gab immer wieder Politiker, die in Karlsruhe zum Richter wurden, man denke nur an Roman Herzog, aber in den seltensten Fällen entsprangen sie der ersten politischen Reihe. Bei Peter Müller aus dem Saarland wäre das der Fall. Das Argument der CDU von vor 15 Jahren ist heute noch genau so zutreffend, wie damals. Es darf nicht sein, dass ein ehemaliger Ministerpräsident, der sein Amt nur mit dem Zweck niedergelegt hat um Richter am Bundesverfassungsgericht zu werden, dem Ansehen der höchsten Instanz in der Bundesrepublik schadet. Wenn die CDU erstmal damit anfängt, ihre Ex-Ministerpräsidenten dort einzuschläusen, wäre die Gefahr groß, dass die anderen Fraktionen folgen würden und allmählich das Bundesverfassungsgericht politisiert würde. Das wäre fatal. Die Richter müssen weiterhin so intim und vertraut und ohne die große Öffentlichkeit arbeiten können. Nur so bewahren sie ihren großen Respekt und die Reputation in der Bevölkerung. Folgten Polit-Profis nach Karlsruhe würde auch diese letzte Vertrauensinstanz im Land der Medienwelt ausgeliefert. Das sollte auch ein Ministerpräsident aus dem Saarland einsehen können und sich lieber andere Hobbys für den Ruhestand suchen, man kann ja schließlich auch Briefmarken sammeln oder Tauben züchten.
her
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