Ein Plädoyer für politische Verantwortung
Es ist leicht düstere Horrorszenarien zu erstellen. Man kann Angst schüren und häufig bewirkt diese Angst dann ein Umdenken. Das düstere muss nur schwarz genug sein. Ich könnte loslegen und die moralische Keule schwingen: Wo soll das alles mal enden? Unser Land wird zerbrechen, wir werden versagen. Es ist eine Frage, die Politiker gerne "Politikverdrossenheit" nennen und allein schon durch die Bezeichnung an Wirkung verliert. "Politikverdrossenheit" klingt wie ein Problem, das nur Politiker haben, weil sie niemand mehr wählt. Es hört sich so an, als würde uns das gar nichts angehen. Aber das Phänomen "Politikverdrossenheit" wirkt auch wie ein Schutzwall. Man kann sich dahinter verstecken, wie ein kleines Kind hinter einer Ausrede. "Wieso sollte ich mich für Politik interessieren? Interessiert sich die Politik denn für mich?", ein wahnsinnig beliebter Satz für Verdrossene. Sie gehen dann nicht mehr wählen, lesen keine Zeitung mehr oder nur noch den Sport, die tagesschau muss für "Achtung Kontrolle!" weichen, das Thema Politik wird einfach aus dem Leben verbannt. Das ist eine Trotzreaktion, wie bei kleinen Kindern, die dem Umstand geschuldet ist, dass Politik wirklich immer komplexer wird und vielleicht werden muss. Dass der politische Betrieb sich weit vom "normalen Bürger" entfernt hat. "Die da, in Berlin", wie es so oft heißt. Was weiß unsere Bundeskanzlerin eigentlich von den wirklichen Problemen unserer Gesellschaft? Ist es nicht vollkommen absurd, wenn Politiker von Union und SPD über drei oder sechs Euro mehr Hartz IV diskutieren? Ist nicht beides menschenunwürdig? Dem Menschen muss mehr zugebilligt werden, als nur die bloße Existenz, nämlich ein Leben. Die Politik kann sich kaum noch erklären, häufig wirkt es realitätsfern was diskutiert wird. Wenn es dem Staat schlecht geht, müssen alle helfen - wenn es dem Staat gut geht, kriegt nur die obere Schicht was davon ab. Es gibt so viele Umstände und Beispiele, Maßnahmen und Vorschriften, die den Menschen kaum noch zu vermitteln sind. Die Bürger bleiben trotzig zu Hause und verweigern "der Politik" die Stimme. Sie glauben damit die Politiker zu bestrafen, dass diese sich denken "Wie bekommen wir die Leute wieder mit ins Boot?". Wenn überhaupt, dann sind es solche Hintergedanken. Irgendwie wähnen sich die Verdrossenen damit in Sicherheit, es wird schon alles gut gehen. "Wir gehen nicht mehr wählen und bald geht überhaupt keiner mehr zur Wahl, pah! Dann seht ihr, was ihr davon habt, ihr Politiker!"
Überhaupt nichts werden wir sehen. Politik ist etwas, was alle angeht. Das klingt, wie aus einem Lehrbuch der Parteien, es steckt aber viel mehr dahinter. Was ist denn schon dabei, wenn man ohnehin den ganzen Tag im Internet auf Facebook oder sonst wo unterwegs ist und dann mal für eine viertel Stunde sich mit den Nachrichten befasst? Wenn es schon nicht mehr für eine Zeitung reicht, dann könnte es doch wenigstens die mediale und preislose Miniinformation aus dem Internet sein. Dauert die tagesschau mit 15 Minuten zu lang, um sie zu sehen? Unsere Generation ist eine unpolitische. Im Vordergrund stehen immer mehr die Einzelpersonen - "Was ist für mich am besten?" - das große Ganze, wer braucht das schon? Politik könnte Erklärungen bieten, es könnte Antworten und Lösungen geben für Probleme auf dieser Welt. Probleme, die uns nicht immer unmittelbar selbst betreffen, die aber durch Gemeinschaft und Solidarität gelöst werden können. Verantwortung zu übernehmen, zu reifen heißt auch Auseinandersetzung mit Politik. Nur wer wahrnimmt und kritisiert, kann zur Verbesserung beitragen. Es ist die verdammte Pflicht eines jeden Menschen sich nicht nur an die eigene Nase zu fassen, sondern auch an die Nase des Nachbarn. Probleme werden nicht dadurch gelöst, indem wir sie auf andere abwälzen. Das Argument: Irgendeiner wird's schon machen, kann kein Allheilmittel sein. Es wird die Zeit kommen, da wird unsere Generation Minister stellen müssen, da werden wir Verwantwortung übernehmen müssen. Es ist zwar die bequemste Lösung immer auf den Nachbarn zu zeigen und sich zu sagen, das kann ja jemand anders machen. Die beste Lösung ist es, wenn sich jeder verantwortlich fühlt. Politiker werden heute immer älter, weil junge Leute es einfach nicht mehr attraktiv finden in dem Betrieb der Politik. Wer will sich schon durch so einen steinigen Weg kämpfen, wenn er es bei einem Unternehmen deutlich schneller nach oben schaffen kann. Aber politische Verantwortung trägt nicht nur der Oben, sondern auch ein jeder unten. Wir alle tragen politische Verantwortung, die wir unserem Land, unserer Geschichte und uns selbst schulden.
Teil 2 erscheint mit leichter Verzögerung noch heute.
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