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Zurück im Netz

Meine abstinente Zeit ist vorbei. Mehr als eine Woche habe ich auf das Internet verzichtet und schon jetzt vermisse ich die ruhigen Stunden. Vor meiner Internet-Diät habe ich mir verschiedene Fragen gestellt: Wie leicht fällt es mir wirklich auf jegliche Information aus dem Netz zu verzichten? Wann entstehen Situationen, in denen man bewusst andere Wege gehen muss? Merke ich überhaupt, dass ich ohne Internet lebe? 

Kurz vor dem Anfang meiner netzfreien Zeit überkommt mich noch einmal die Panik, gibt es nicht doch etwas, was so wichtig ist, dass man es versäumen könnte? Habe ich alles bedacht? Was ist, wenn genau dann eine Email kommt als Antwort auf meine Bewerbung? Das waren Gedanken, wie kurz vor dem Auswandern in eine Bananenrepublik. Aber mein Entschluss stand fest, ich verzichte auf das Internet. Es hat sich schon fast eingebürgert bei mir auch mal mit dem Handy ins Internet zu gehen, auch wenn ich mich selbst dabei kontrolliere und es möglichst stark reduziere. Aber trotzdem ist es mir aufgefallen, dass mir der Blick auf das internetunfähige Handy ein wenig uninteressanter vorgekommen ist. Kein Klick möglich mit dem ich eben die Emails kontrollieren könnte, nicht mal eben prüfen ob der Zug nicht doch Verspätung hat. Keine Online-Nachricht an der Bushaltestelle versenden. Ich musste mich also anders beschäftigen. Es ist nicht so, dass ich vor großer Langeweile stand und ohne Internet nicht mehr wusste wo oben und unten ist, nein. Das liegt wohl auch daran, dass ich schon vor meiner Abstinenz kein Internet-Junckie war und bin. Aber trotzdem, auf einmal ist der Tag so lang, so herrlich lang. Die Zeit in der Zeitung zu blättern und den Artikel zu lesen, der wirklich interessant ist, muss auf einmal nicht mehr aufgetrieben werden, sie ist einfach da. Meine These das Internet ist eine der größten Zeitfressmaschinen unserer Generation bestätigt sich immer weiter. Wir tun so viel Belangloses, wenn wir am PC sitzen, das wir gar nicht mehr wissen, wie wir ohne Internet den Tag überstehen könnten. Aber das ist gar nicht so schwierig wie ich festgestellt habe. Denn ohne den Kontakt zum Internet bleibt zunächst nur der Kontakt zu sich selbst. Man muss sich zwangsläufig mit sich selbst auseinandersetzen. Auf einmal steht man nackt vor sich selbst. Ohne Internet nimmt man sein Leben erst so richtig wahr, hat mehr Zeit für sich und andere und kann diejenigen Kontakte, die wichtig sind auch tatsächlich menschlich ausfüllen. Bei Facebook hält man doch zu Unzähligen oberflächlichen Kontakt. Beim Verzicht auf die so genannten "sozialen Netzwerke" (für mich eher un-soziale Netzwerke) intensiviert man den Kontakt und nimmt den Gegenüber erst richtig ernst. An dieser Stelle kann ich es mir nicht verkneifen eine weitere Spitze gegen das System Facebook zu setzen und ich muss die Geschichte von einem Mädchen aus Großbritannien erzählen:
Ein 21-jähriges Mädchen schrieb bei Facebook die Nachricht: "Auf Wiedersehen Welt, ich verabschiede mich jetzt. Habe alle Pillen geschluckt." (Möglicherweise in anderer Wortwahl, aber sinngemäß dasselbe) In den darauf folgenden Stunden entflammte eine Diskussion ihrer "Freunde" darüber, wieviel Wahrheitsgehalt denn in der Aussage des Mädchens stecken würde. "Ach, die brauch doch nur Aufmerksamkeit. " "Vielleicht geht es ihr ja wirklich so schlecht?", "Nein, die labert nur. Das traut die sich eh nicht.", "Wär schon krass, wenn die das wirklich machen würde". Um die hundert Kommentare gaben ihre vermeintlichen Freunde auf ihrer Pinnwand ab. Einen Notruf setzte niemand von ihnen ab. Als mehr als einen Tag später doch noch jemand auf die Idee kam ihre Mutter zu informieren, war es zu spät. Das Mädchen war tot. Sie hatte sich mit den Schlaftabletten das Leben genommen. 
Leider ist dies eine wahre Geschichte, die die Lückenhaftigkeit, Oberflächlichkeit und die Perversion des vermeintlichen Freundschaftssystems von Facebook aufzeigt. Dass  Facebook inzwischen schon bei Felix Magath angekommen ist, kann die Nutzung der Plattform nicht rechtfertigen. Vielmehr ist es erschreckend, dass es kaum noch Menschen gibt, die die Gefahren der "sozialen Netzwerke" wahrnehmen. Das Thema "Generation Facebook" ist aber eines, das ein ganzes Buch füllt. 

Aber zurück zu meiner Diät von der Informationsflut. Nachrichten habe ich aus der Tageszeitung und aus den Nachrichtensendungen der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten entnommen und trotzdem habe ich zu keinem Zeitpunkt das Gefühl gehabt unterinformiert zu sein. Ich hatte genügend Informationen und Nachrichten, die ich verarbeiten musste und konnte. Es hat mir an nichts gefehlt. Denn eine erstaunliche Erkenntnis für mich als Aussteiger vom Netz war, dass die Welt sich auch ohne mich weiterdreht. Die Emailnachricht liegt auch noch in zwei Wochen im Postfach und kann dann immer noch beantwortet werden. Der Hang zur Selbstüberschätzung, den wir alle in uns tragen, hat sich als überflüssig herausgestellt. Denn nichts aus dem Internet ist so wichtig, dass es nicht auch warten könnte. Die Zeit ohne das Netz habe ich genossen und es ist an der Zeit einen internetfreien Tag einzuführen. Vielleicht lege ich meinen ganz persönlichen Offline-Tag auf den Sonntag. Es wäre mir ein Genuss. 

Wem das alles zu rückschrittlich ist, dem sei gesagt dass ich keine Abschaffung des Internets anstrebe. Aber mir gerne den Luxus gönnen möchte, dann wenn es mir meine Tätigkeit zulässt, auf das Internet zu verzichten. Der Verzicht als Luxus, sozusagen. 


her


Es geht jetzt wieder im Dienstag, Donnerstag, Sonntag - Rhythmus weiter. Auf bald.    

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