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ARD blamiert sich - heimlich

Die Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands, kurz die ARD - das erste deutsche Fernsehen - hat sich am Sonntagabend im Laufe zweier Sendungen blamiert. Wem das entgangen ist, dem sei hier kurz dagelegt, wann, wo und wie das geschehen ist. 

Der Sonntagabend ist in der ARD, vorausgesetzt es ist ein Wahlsonntag, mit tollen Sondersendungen mit dem Schiefgucker Jörg Schönenborn besetzt. Nun wurde am heutigen Sonntag die Bremer Bürgerschaft neu gewählt. Das bedeutet: Jörg Schönenborn steht wieder im Studio und präsentiert gewohnt lebendig seine Statistiken. Zur Komplettierung des visuellen Hochgenusses für den Zuschauer, stellte man Schönenborn heute einen Mann an die Seite, dessen Aussehen und Namen wohl 100% der Zuschauer schon beim Sehen wieder vergessen haben dürften. Aus Selbstschutz. Allein das reicht natürlich nicht für eine Blamage des ehrwürdigen ersten deutschen Fernsehens. Das wäre ja wohl auch viel zu oberflächlich für eine gehaltvolle Kritik. 

Nein, die Kritik hat es in der Tat in sich. Es dürfte nicht entgangen sein, dass (laut aktueller Hochrechnung) die SPD auf knapp 38% der Wählerstimmen in Bremen gekommen ist. Das sind etwa 1,6% mehr, als bei der letzten Wahl im Jahre 2007. Zweitstärkste Partei ist die der Grünen mit etwa 23% (CDU 20%, FDP 2,8%, Linke 5,8%). Nun, bisher war es üblich, dass dem Wahlsieger entsprechender Respekt gezollt wurde. Und als Wahlsieger bezeichnet man diejenige Partei, die die meisten Wählerstimmen sammeln konnte. Das ist im Falle der Bremer Wahl zweifelsfrei, trotz langwierigem Zählprinzip, die SPD. Darüber hinaus hat die SPD entgegen dem Bundestrend sogar zugelegt. Zwar nur um etwa 1,6%, aber sie hat an Wählerstimmen gewonnen. Die Sozialdemokraten sind, so sehr man das Blatt auch wenden mag, der Wahlsieger der Bremer Bürgerschaftswahl. 
Der ARD scheint das deutlich zu missfallen. Stellen die Reporter den Parteifunktionären der Sozialdemokraten in Berlin und Bremen doch sehr eigenartige und negativ anhauchende Fragen. So in etwa: "Herr Böhrnsen, wieso reicht es in Bremen nicht für eine absolute Mehrheit?", "Herr Gabriel, wieso kann die SPD nur in den Städten gute Ergebnisse erzielen?", "Frau Nahles, niemand weiß mehr wofür die SPD steht. Das muss Sie als Generalsekretärin doch wurmen?". Nun, Deutschland ist ein freies Land und es gibt sicherlich eine Pressefreiheit und das, wer würde es bestreiten wollen, natürlich zu Recht. Das Fragerecht steht den Journalisten zu und der SPD kann es auch zu gewissen Zeiten nicht schaden, wenn ihr unangenehme Fragen gestellt werden. Aber wieso bemühte sich die ARD so unaufhörlich die Sozialdemokraten in ein schlechtes Licht zu rücken? Wieso suchten sie, trotz des formidablen Ergebnisses, die Haare in der Suppe? Kann man Erfolge bei der ARD nicht einfach mal anerkennen? 

Ein weiteres Beispiel? Gerne. Der schiefe Statistiker Schönenborn packte im "tagesthemen extra" eine Sonderstatistik für die SPD aus: Zwar habe die SPD doch an Prozentpunkten gewonnen, aber an absoluten Zahlen Wählerstimmen verloren. Soll heißen prozentual haben zwar mehr Leute die SPD gewählt, absolut haben aber weniger Menschen bei der SPD das Kreuz gemacht. Das ist ja ganz schön, dass der tolle Herr Schönenborn das herausgefunden hat. Aber mathematisch ist ihm da kein Kunststück gelungen. Die Wahlbeteiligung ist insgesamt gesunken. Da weniger Menschen zur Wahl gehen, können auch nur weniger Leute ihr Kreuz machen. Und das egal wo! Diese Statistik, die die ARD ganz Deutschland präsentierte, ist nichts weiter als eine Frechheit. Es sollte trotz aller positiven Ergebnisse für die SPD noch bewiesen werden, dass die SPD im Sinkflug ist. Und das mit deutlich unlauteren Mitteln. Jede Partei wird an absoluten Stimmen verloren haben. Das liegt aber doch an der geringen Wahlbeteiligung. Der SPD dafür den schwarzen Peter zuzuschieben, das grenzt an völligem Kokolores und ist absurd. Die Tatsache, dass die ARD eine solche Statistik präsentiert, wird dem intelektuellen Anspruch des Senders nicht gerecht. Es ist peinlich so etwas sehen zu müssen. 
Die "tagesthemen extra"-Ausgabe beschränkte sich auf läppische zwölf Minuten Sendezeit. Vielleicht wollte man in der ARD die Sendezeit der Größe des Bundeslandes angleichen. Aber dann nur ein Gespräch von Tom Buhrow mit der Spitzenkandidatin der Grünen zu zeigen, ist auch eher ungewöhnlich. So ist es doch üblich, bei nur einem Gesprächspartner, mit dem Wahlsieger zu sprechen, also mit dem weiter amtierenden Bürgermeister Jens Böhrnsen. Nein, diese Plattform wollte man dem Wahlsieger nicht bieten. Lieber alles grün. 

Das schlimme an dieser Art von parteipolitischer Bekundung ist, dass sie unterschwellig geschieht, eher heimlich. Wohl den wenigsten dürften diese Unregelmäßigkeiten aufgefallen sein. Und das macht es schlimm, für ein staatlich unabhängiges Medium, dass sich mit öffentlichen Steuergeldern (bzw. Gebühren) finanziert. Es wird Zeit, dass die ARD mal wieder vor Gericht gezogen wird. Ich wäre dabei. 

Über die zweite Blamage der ARD am Sonntagabend in der Sendung "Anne Will" berichte ich am Dienstag. Hauptthema wird dann die Affäre um Dominique Strauss-Kahn sein.


her   

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