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Ökologie und Ökonomie: Heuchelei, Segregation und Ehrenrettung #zuko11

Von Henning Rasche. 

"Generation Kernseife" titelte die Süddeutsche Zeitung einst. Dazu gehörten Leute, die bei Geschäften wie etwa „Manufactum“ ein Stück Kernseife lieber für 4,50€ kaufen, als im Drogeriemarkt für 0,29€. Sie kaufen dort Geschirrtücher – drei Stück für 16€ - obwohl es im Otto-Katalog oder bei IKEA doch deutlich günstiger ginge. Und warum das alles? „Psychologischen Benefiz“, nennt Prof. Dr. Harald Welzer das auf der Zukunftskonferenz der Grünen. Sie tun dies, um sich ihres Gewissens zu erleichtern. Zwar fahren sie einen Porsche Cayenne, der die Umwelt wie kaum ein anderes Auto verpestet, aber sie kaufen an sich günstige Produkte teuer ein, weil sie vom Verkäufer das Versprechen bekommen, dass es nachhaltig produziert sei. Nachhaltigkeit, das ist ein so großes Wort. Benutzt wird es ähnlich häufig wie „Billy“ in einem IKEA-Möbelhaus. Heuchelei kann man so etwas nennen. Weil man vorgibt etwas zu sein, auch glaubt etwas zu sein, was man eigentlich nicht ist. Den Grünen wirft man diese Mentalität gerne vor.



Im Forum „Ökologie, Ökonomie: Nachhaltiger Konsum für alle“ geht es genau um diesen Punkt. Und die Debatte geht gleich gut los: Professor Welzer redet von einer „Nespresso-Kultur“. Es wird in Werbung vermittelt, dass man dringend eine eigene Kaffeemaschine bräuchte, und zwar jeder seine eigene. Dahinter stecke das Prinzip: „Erhöhung und Maximalisierung des Konsums, Minimalisierung der Nutzbarkeit“. Sprich: eigentlich braucht das niemand mehr, gekauft wird es trotzdem, gerade weil jeder glaubt, dass er es bräuchte. Weil es jemanden gibt, der das sagt. Und wenn dann noch jemand kommt und sagt, dass sei aber nicht besonders nachhaltig eine Maschine dauerhaft mit Metall-Kapseln zu füttern, dann führt halt irgendjemand – im Zweifel dieselbe Person – eine Öko-Kapsel ein. Schließlich wird dann die Ökokapsel wie verrückt konsumiert. „Die kaufen dann diejenigen, die sich selbst für kritisch halten“, sagt Welzer. In die Nespresso-Kultur fügen sich der ein oder andere Redner bereitwillig ein.
 
Da ist zum Beispiel jemand, der fordert, dass alle Preise angehoben werden. Nur ein teures Produkt sei ein gutes Produkt, findet er. Weitere Redner schließen sich an. Sind die Grünen eine linke Partei, wenn sie fordern die Preise anzuheben?  Zwar war auch ein Unterpunkt des Diskussionsfadens wie man auch den Schwächsten der Gesellschaft einen Zugang zu nachhaltigem Konsum ermöglichen könne, allerdings ist dabei wenig bis gar nichts herausgekommen. Welzer bringt dann einen völlig perversen Gedanken: „Der Hartz IV - Empfänger an sich lebt nachhaltiger, als die meisten anderen Menschen. Er konsumiert weniger, fährt weniger Auto und verfügt über weniger Wohnraum." Zustimmendes Gelächter im Saal. Moment, wenn der Hartz IV - Empfänger (immerhin gibt Welzer zu, dass das eine ähnlich dumme Verallgemeinerung wie 'Der Russe' oder 'Die Reichen' ist) doch so nachhaltig lebt und wir alle nachhaltiger leben sollen, ist dann das Ziel unserer Gesellschaft alle Menschen in Hartz IV zu transportieren, um für eine nachhaltige Gesellschaft zu sorgen? Wie pervers ist denn bitte dieses Gedankenspiel? Bei allem Respekt vor Herrn Professor Welzer, aber das kann ja nicht sein Ernst sein, wenn er propagiert wie nachhaltig "die Unterschicht" (das Wort hat er auch benutzt) lebt. Objektiv betrachtet mag die Aussage vielleicht zutreffend sein, das macht sie aber nicht weniger absurd. Denn der doch an sich freie Mensch trifft seine Entscheidungen völlig frei, sollte er zumindest. Hartz IV-Empfänger entscheiden sich im Regelfall nicht frei in die Arbeitslosigkeit zu gehen. Die Entscheidung "nachhaltig" zu leben, hat also gar nicht stattgefunden. Das nenne ich nicht Nachhaltigkeit, sondern Armut. Und wer in Armut lebt, der kann gar nicht anders als weniger Auto zu fahren - sollte er überhaupt die Möglichkeit dazu haben - der kann gar nicht anders als über weniger Wohnraum zu verfügen. Dieser Satz von Welzer hat die Zukunftskonferenz geprägt, leider haben ihn zu wenige gehört. 

Diese unglaubliche Frau von Bundestagsabgeordneter, Nichole Maisch, die der Diskussionsrunde ebenfalls beiwohnt, beweist fortwährend ihre Realitätsferne. "Ich bin ja beim Carsharing. Da zahle ich 30 Euro im Monat und habe so 65 Autos zur Auswahl." Die Hartz IV-Empfänger kämen gar nicht auf die Idee sich dort anzumelden. Und das widerrum liegt an Bildungsnähe, Bildungsferne, Erziehung, sozialen Schichten - weiß der Teufel. Maisch redet sich um Kopf und Kragen. Für sie gibt es nur diese Heuchelgesellschaft. Sie ist Teil der Generation Kernseife, auch wenn das hier niemand hören oder lesen möchte. Was genau schlecht daran ist ausschließlich Bio-Produkte zu konsumieren, teurere Produkte zu fordern und beim Carsharing mitzumachen? Das Moralisieren. Das Zeigen mit dem Finger auf andere. Andere, die sich solche Luxusprodukte nicht leisten können. Die nicht nur für das Gewissen mal eben 5 Euro mehr bezahlen können, weil sie jeden Eurocent umdrehen müssen. Natürlich ist an der reinen Tatsache ein Bio-Produkt zu konsumieren nichts schlechtes. Steckt aber die Intention dahinter, sich moralisch von anderen abheben zu wollen, die sich so etwas nicht leisten können, dann ist das negativ und heuchlerisch. Im selben Atemzug spricht sie übrigens noch den "Öko-Cappuccino" an. Wenn sie fair gehandelten Cappuccino trinken wollte, dann müsste sie immer extra darum bitten 50 Cent mehr zu bezahlen. Aber sie würde es doch viel lieber sehen, dass der "Öko-Cappuccino" das Standardprodukt würde, der Normal-Cappuccino, also nach Maisch das Teufelsprodukt würde dann 50 Cent weniger kosten. Sprich: Derjenige, der sich den teuren Cappuccino nicht leisten kann, muss den Wirt extra noch darauf ansprechen. Dabei geht es gar nicht um den Cappuccino an sich, sondern um den Beispielcharakter für die Denkweise dieser Frau. Es sei ein politischer Akt am Carsharing teilzunehmen und Bio-Mozzarella zu kaufen. Was es doch für unterschiedliche Ansichten von Politik gibt. 

Das Problem an der ganzen Debatte hier in Saal 6 ist, dass einfach kein Hartz IV-Empfänger da ist. Niemand der den Grünen mal erklären könnte, wie das so ist mit dem Regelsatz. Der mal sagen kann, Nachhaltigkeit super - aber wie soll ich mir das leisten können? Die Grünen haben Wissenschaftler, Journalsiten und Politiker eingeladen. Das einfache Volk, die "Unterschicht" ist aber keine grüne Klientel. Das zeigt sich nicht nur an den Preisen des Catering-Unternehmens, das vor der Tür ein halbes Stück kleinen Zitronenkuchen für 1,50 Euro verkauft, sondern auch daran, dass nur Wohlhabende Leute im Raum sind. Bis auf vereinzelte Ausnahmen, die sich nicht trauen aus der Gruppe hervorzutreten. Den Grünen ist es nicht gelungen die ökologische mit der sozialen Frage zu verknüpfen. Es gibt diese Grünen, die für Soziale Gerechtigkeit eintreten, die klassische linke Thesen vertreten. Und dann gibt es diese Grünen, die glauben weil man Bio-Produkte kaufe sei man Teil einer kulturellen Revolution, die alles andere als links sind, die im ureigensten Sinne konservativ sind. 

Vielleicht könnte sich das auch mal zu einem Problem der Partei an sich entwickeln. Dass man Bio-Mozzarella schlecht verpflichtend in ein Gesetz schreiben kann - Hartz IV-Regelsätze aber definieren muss. Hier treffen vielleicht zwei der entscheidensten Flügelfragen der Grünen aufeinander. Ökologie und Soziale Gerechtigkeit und Teilhabe. Bisher ist es ihnen nicht gelungen das miteinander zu verbinden. Auf der Zukunftskonferenz ist der erneute Versuch kläglich gescheitert. Da hilft auch nichts, dass Claudia Roth am Ende versucht, den wilden Satz von der Nachhaltigkeit der Hartz IV-Empfänger von Professor Welzer wieder gerade zu biegen.    

2 Kommentare:

  1. Nachhaltigkeit verbindet immer Ökologie und Soziales (Ökonomie auch)! Wen wird denn der Klimawandel als erstes treffen? Deshalb ist es unsere Verantwortung Öko zu kaufen, denn Einkommen verpflichtet! Wenn sich das jemand nicht leisten kann, dann ist nicht der Preis sondern die Armut daran schuld! Und Armut verhindert man nicht indem man alles völlig unökologisch herstellt und dann billig verramscht, sondern indem man Einkommen besser verteilt. Zum Beispiel über eine ökologische Steuerreform. Dass wir Grünen (ich weiß ich verallgemeiner) uns eben für eine Zukunft für alle einsetzen und dafür höhrer Preise bezahlen (und damit verzichten!!!, denn wir könnten uns mehr zu günstigeren Preisen kaufen) ist eben nicht Eigennutz oder Die Legitimation zum Moralisieren. Man kann aber auch auf den wenigen Ausnahmen mit dem fetten Auto rumhacken. Ist natürlich einfacher...

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  2. Ich finde mein Text ist alles andere als eine Vereinfachung. Im Übrigen ist es zu einfach, sich hinter Anonymität zu verstecken, wenn man sich seiner Überzeugung doch so sicher ist.

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