Henning Rasche
Während vor wenigen Jahren noch der Staat selbst als Bedrohung für die Demokratie angesehen wurde, weil er sich immer mehr Rechte sicherte, - besonders im Blick waren nach 2001 die Sicherheitsgesetze, die Regierungen weltweit immer weiter verschärften - sind es heute Auswärtige, vermeintliche Wirtschaftler, Banker, die der Demokratie der Bundesrepublik gefährlich werden können. Es ist also paradox: nie zuvor forderten alle politischen Farben gleichzeitig mehr Macht für den Staat, um die Macht der anderen, also der Wirtschaft zu beschränken. Das Gejapse der FDP wirkt in diesem Chor wie schlechtes Kabarett. Doch gerade weil der Konsens darin so groß ist, die Macht von nichtstaatlichen Gruppierungen, die Einfluss auf die Politik ausüben, zu beschränken, passiert: nichts.
Erst am Wochenende stufte die Ratingagentur "Standard & Poor's" die Kreditwürdigkeit von Frankreich, Österreich, Italien, Spanien, Portugal, Zypern, Malta, der Slowakei und Slowenien herab. Die Suche nach Unwörtern des Jahres könnte hier schon beendet werden, sie lauteten: "Ratingagentur", "Kreditwürdigkeit" und "Herabstufung". Mit welcher Dreistigkeit, Arroganz und Selbstverständlichkeit solcherlei Ratingagenturen skrupellos Druck auf die Regierungen der Europäischen Union - unter anderem natürlich - ausüben, ist beispiellos. "Italien und Spanien sind auf einem guten Weg, aber die Regierungen müssen sich noch sehr hart anstrengen", sagte ein Mitarbeiter einer Ratingagentur. Das ist eine Drohung und eine Erwartung. Was der Mann von der Kreditwürdigkeit nicht ausspricht, aber natürlich meint: wenn die Regierungen nicht tun was er will, dann stuft er die Kreditwürdigkeit herab. Und wenn er die Kreditwürdigkeit herabstuft, dann bekommen die Regierungen schwieriger Geld. Und: bekommen die Regierungen schwieriger Geld, dann verschärft das ihre eigene Krise.
Das ist kein Teufelskreis, sondern blinde Erpressung. Und auch wenn inzwischen sogar Guido Westerwelle fordert die Macht von Ratingagenturen zu beschränken, so ist dies nichts anderes als der bloße Versuch in den Chor der anderen mit einzustimmen. Es ist nun genug geredet. Die Zeit ist gekommen Ratingagenturen endgültig den Zahn zu ziehen. Sicherlich: die Regierungen müssen besser wirtschaften, sie dürfen nicht mehr an alten Gewohnheiten festhalten und Schulden um Schulden aufnehmen. Doch dazu brauchen sie keine Ratingagenturen, die ihnen drohen und das Messer auf die Brust setzen. Die einzigen, die das dürften, sind die Bürgerinnen und Bürger. Ihre Stimme ist die einzige, die zählt. Sie sind es, die die demokratische Legitimation verteilen. Und sie verteilen die nicht an Ratingagenturen, nicht an "Fitch", nicht an "Moody's" und nicht an "Standard & Poor's".
Die Macht der Ratingagenturen könnte so beschränkt werden, dass ihr Urteil, ihre Einstufungen, einfach ignoriert würden. Das sagte Peer Steinbrück, Kanzlerkandidatenkandidat der SPD. Reichlich naiv sollte man meinen. Denn so wie sich die Welt der Finanzen auf die Ratingagenturen eingeschossen hat, ist es jetzt zu spät. Möglicherweise sind Ratingagenturen inzwischen schon so tief im System Kapitalismus verankert, dass das System nicht mehr nur hinkt, sondern auch schwer krank ist. Es müssen Weichen gestellt werden, die das System wieder gesund machen. Welche Weichen das sind, müssen diejenigen beurteilen, die Ahnung davon haben. Ahnung haben übrigens Wissenschaftler, Professoren, Unabhängige. Banker sind nicht unabhängig; sie haben nur eines im Auge: ihren eigenen Profit. Es wäre wünschenswert, wenn das System Kapitalismus endlcih auch einmal in den Fokus der Betrachter gerät. Alternativen dürfen nicht alternativlos sein, wie es immer heißt. Und kein Kapitalismus heißt auch nicht Kommunismus. Es muss etwas Neues geben, endlich.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen