VON HENNING RASCHE
Einstimmig
haben die Ministerpräsidenten der 16 deutschen Bundesländer beschlossen, ein
Verbot der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) beim
Bundesverfassungsgericht zu beantragen. Dabei handelt es sich nun bereits um den
zweiten Versuch, die rechtsextreme Partei loszuwerden und zu verbieten. Nach
der terroristischen Mordserie des NSU, die erst im November 2011 publik wurde,
wuchs innerhalb der Politik der Wunsch nach einem neuerlichen Antrag beim
höchsten deutschen Gericht. Ob auch die Bundesregierung unter Führung von
Kanzlerin Angela Merkel mit den Ländern nach Karlsruhe zieht, oder ob sich auch
der Deutsche Bundestag anschließt, zeichnet sich nach eigenen Angaben im ersten
Quartal des kommenden Jahres ab. Etliche kritische Stimmen begleiteten die
Diskussion um den Antrag – sind die Erinnerungen an die Niederlage 2003 doch
noch sehr präsent. Dieses Mal, so die einhellige Auffassung, müsse alles gut
gehen; ein zweiter Antrag vor dem Bundesverfassungsgericht dürfe nicht wieder
scheitern. Doch wie genau will man das sicherstellen? Bloßes Mut zusprechen
dürfte nicht ausreichen. Und ob der Verzicht auf Material von V-Leuten der
sichere Weg zum Erfolg in Karlsruhe ist, erscheint zumindest zweifelhaft. Der
Verbotsantrag ist unnötig und hochriskant.
Bei einem
Parteiverbot handelt es sich um den schwerstmöglichen Eingriff in die
Parteienfreiheit. Wer eine Partei verbieten lassen möchte, sollte sich zunächst
darüber im Klaren sein, dass dies nur als ultima ratio, als allerletztes Mittel
möglich ist. Die Möglichkeit des Parteiverbots aus Art. 21 Abs. 2 des
Grundgesetzes ist Ausdruck der „wehrhaften“ oder „streitbaren Demokratie“. Es
ist diejenige Maßnahme, die zum Einsatz kommt, wenn mit den Mitteln der
freiheitlichen Demokratie die freiheitliche Demokratie abgeschafft werden soll.
Das Bundesverfassungsgericht hat 1952 beim Verbot der Sozialistischen
Reichspartei und 1956 beim Verbot der Kommunistischen Partei Deutschlands
Maßstäbe zum Verbot einer politischen Partei aufgestellt, die über 50 Jahre
später nicht mehr vollumfänglichen Bestand haben werden. Damals noch sagte das
Gericht: „Eine Partei ist nicht schon dann verfassungswidrig, wenn sie die
obersten Prinzipien einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung […] nicht anerkennt;
es muss vielmehr eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der
bestehenden Ordnung hinzukommen.“ Nun behaupten die Vertreter der Bundesländer
ausreichend Material gesammelt zu haben, um eben jene aktiv kämpferische,
aggressive Haltung der NPD darzulegen. Möglich, dass ihnen das gelingt. Möglich
aber auch, dass das nicht mehr ausreicht.
In der Europäisierung
Deutschlands ist auch die Europäisierung des Rechts tief verwurzelt. Inzwischen
leben wir auch juristisch in einem Mehrebenensystem, dessen unterschiedliche
Bezüge unterschiedlich gehandhabt werden. Kurzum: Sollte das Bundesverfassungsgericht
tatsächlich den Antrag positiv bescheiden und die NPD verbieten, müsste ein
solches Verbot noch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)
in Straßburg Bestand haben. Der allerdings hat andere Maßstäbe an ein Verbot
einer Partei angelegt, als es das Bundesverfassungsgericht in den 50ern tat. In
einer Ausarbeitung des Wissenschaftlichen
Dienstes des Bundestages von 2007 heißt es: „Der
Schwerpunkt der Prüfung durch den EGMR liegt dabei auf der Frage, ob ein
Parteiverbot in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist. Hier
nimmt der EGMR eine umfassende Verhältnismäßigkeitsprüfung vor.“ Daraus
schließt der Dienst, dass es eine Diskrepanz zwischen der deutschen und der
europäischen Rechtsprechung gebe, die das Bundesverfassungsgericht in einem
möglichen nächsten Urteil korrigieren könnte. Das macht im Ergebnis keinen
Unterschied, weil am Ende der EGMR mit einer Verhältnismäßigkeitsprüfung
wartet. Hier lässt sich einhaken und zweifeln. Ist es überhaupt erforderlich
die NPD zu verbieten? Besteht eine Gefahr, dass die NPD die freiheitliche
demokratische Grundordnung beseitigt, während sie so tief in der Zustimmung der
Bevölkerung hängt?
Die
NPD ist in der Struktur einer politischen Partei recht simpel zu überprüfen.
Sie muss Rechenschaft ablegen, sie muss den Status der Öffentlichkeit erfüllen,
sie ist für Medien leicht zu beobachten. Verbietet man nun diese Partei,
bestünde nicht die Gefahr, dass sie in Untergrundstrukturen den
Rechtsextremismus radikalisiert? Der Wunsch die NPD zu verbieten fußt im
Wesentlichen auf dem Wunsch, Rechtsextremismus zu verbieten. Das funktioniert
nicht. Es ist Aufgabe der deutschen Bevölkerung mit den Mitteln der Demokratie
den Rechtsextremismus in der NPD – und um keinen anderen geht es bei einem
Parteiverbot – zu bekämpfen. Inwieweit der NSU in die NPD und umgekehrt
verstrickt war, ist nicht klar. Der NSU müsste hingegen schon der „bewaffnete
Arm“ der NPD gewesen sein, um der Partei die Aktivitäten zurechnen zu können.
Die NPD steht in Deutschland nicht einmal unmittelbar vor dem Einzug in den
Deutschen Bundestag – zum Glück. Aber wie soll man sie dann zu einer Gefahr
hochstilisieren?
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