Nach dem ganzen Gestänker über Peer Steinbrück konnte ich nicht mehr. Ich habe der ZEIT geschrieben. Ein Brief zum Kommentar von Bernd Ulrich aus der ZEIT Nr. 2/2013:
Liebe ZEIT-Redaktion, lieber Bernd Ulrich,
über Ihren Kommentar zu Peer Steinbrücks
Äußerungen in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zum Gehalt der
Bundeskanzlerin in der ZEIT (Nr. 2/2013) habe ich mich gewundert. Er reiht sich
ein, in eine Welle von negativer Berichterstattung, so dass ich fast glauben
könnte, es handele sich um einen neuen Trend, den SPD-Kanzlerkandidaten in ein
schlechtes Licht zu rücken. „Steinbrück fehlt es an Professionalität“,
schreiben Sie, lieber Bernd Ulrich, bereits in der Unterzeile Ihrer
Überschrift. Dabei gehen Sie leider von einer falschen Prämisse aus. Denn Ihre
These, dass Steinbrück die Frage des Interviewers der F.A.S. hätte geschickt
umschiffen sollen, setzt voraus, dass es Politiker mit uneingeschränkter
Professionalität – mithin Polit-Profis – sind, die sich die Deutschen wünschen.
Über die eigene Politiker-Sprache wird gelästert; es gehört zum Mainstream in
der politischen Kultur, Allgemeinplätze und Floskeln anzuprangern. Klare Worte,
Ehrlichkeit – das sind die scheinbaren Sehnsüchte von Menschen, die sich eine
offene politische Debatte wünschen. Peer Steinbrück, der seine Meinung zum
Kanzlergehalt schon zu Zeiten äußerte, als er selbst keine Ambitionen für
selbiges Amt aufwies, wiederholte eben jene Auffassung in besagtem Interview
auf Nachfrage. Steinbrück ist ein Mann, der sich eine Meinung leistet und sie
auch preisgibt. In der deutschen Politik ist dies längst keine
Selbstverständlichkeit mehr; genau dies macht man ihm nun aber zum Vorwurf. Die
deutsche Öffentlichkeit erwartet von dem Kanzlerkandidaten, von dem Sie
offenbar glauben, er würde es nicht mehr lange bleiben, wenn er so weiter macht
(womit auch immer?), eine Lüge. Es wird erwartet, dass Peer Steinbrück auf eine
Frage wie „Verdient die Kanzlerin zu wenig?“ nicht seine Meinung äußert,
sondern eine Floskel, ein Nullum, einen Satz ohne Erkenntniswert. Das ist
bedauernswert. Angela Merkel, die so viel und so oft gelobte Bundeskanzlerin,
ist nicht für ihre Meinungsfreudigkeit bekannt. Sie ist – so hart es klingen
mag – siehe Fukushima, siehe Finanztransaktionssteuer, Bankenaufsicht, etc., - eine
Opportunistin cleveren Formats. Sie wendet und wandelt ihre Positionen in
sämtlichen politischen Feldern von heute auf Morgen. Das wiederum wird ihr
nicht als Schwäche ausgelegt, sondern als Stärke, als Zeichen ihrer
Wandlungsfähigkeit und Offenheit für neue gesellschaftliche Änderungen.
Steinbrück hingegen, der sich schon gegen Korruptionsvorwürfe wehren musste,
weil er vor Banken Vorträge hielt wie er Banken zähmen und bändigen will, ist
kein Opportunist. Er ist zu einer Rarität im politischen Betrieb geworden –
einem Typen.
Sie müssen Steinbrücks Auffassung zum
Kanzlergehalt nicht gut finden. Sie können argumentieren, dass ein
Bundeskanzler nicht so viel verdienen sollte, weil das Gehalt beispielsweise
keine ausschließlichen Anreize bieten solle, das Amt zu bekleiden. Sie können
Peer Steinbrück gerne alles vorwerfen, was Sie gerade finden. Sie können ihm
sachlich einiges entgegenhalten. Sie können nur eines nicht: ihm vorwerfen,
dass er eine Meinung hat und diese äußert. Das ist absurd. Hinter all der
Steinbrück-Kritik steckt möglicherweise immer noch die seltsame Annahme,
Sozialdemokraten könnten nicht mit Geld umgehen oder, noch schlimmer, dürften
kein Geld verdienen. Solche kruden Thesen führen zurück hinters Godesberger
Programm.
Es ist mir schleierhaft, was genau das
Problem mit Peer Steinbrück ist. Ich würde mir aber wünschen, dass Sie, lieber
Herr Ulrich, sich vielleicht einmal überlegten, welchen Politikertypus Sie
eigentlich wirklich bevorzugen. Sie müssen Herrn Steinbrück nicht wählen, sie
müssen ihn auch nicht lieben. Aber sie sollten jemandem mit Respekt gegenüber
treten, der sich eine Meinung leistet. Von Angela Merkel, die seit bald acht
Jahren dieses Land regiert, wissen die Deutschen nicht viel. Wofür steht sie?
Weiß sie es überhaupt selbst? Peer Steinbrück hat jedenfalls den Vorteil mit
offenen Karten zu spielen; vielleicht ist dies ja sogar besser als nüchterne
Professionalität.
Herzliche Grüße.
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