Von Henning Rasche
Stellen
wir uns ruhig für den Bruchteil einer Sekunde vor, Peer Steinbrück wäre gerade
Bundeskanzler. Keine Angst, es ist nur eine Illusion! Wagen wir uns hinein in
dieses Abenteuer, das manch einer wohl als Dystopie begreifen wird. Stellen wir
uns also vor, Peer Steinbrück hätte da neben Barack Obama gestanden, dem
US-amerikanischen Präsidenten. Peer Steinbrück hätte die Pressekonferenz vor
dieser wundersam beruhigenden blauen Wand abgehalten. Peer Steinbrück hätte den
angeblich mächtigsten Mann der Welt – drunter geht es in den USA nicht –
begrüßt, ihn auf die Risiken von „PRISM“ hingewiesen und ihm gesagt, dass wir
Deutsche da nicht besonders viel von halten, wenn 80 Millionen Bürger unter den
Generalverdacht des Terrorismus gestellt werden. Und dann wäre es auch Peer
Steinbrück gewesen, der diesen nunmehr zweifelhaft berühmten Satz gesagt hätte.
„Das Internet ist für uns alle Neuland.“
Bums.
Er hätte wieder zugeschlagen. Der Pannen-Peer, der Wahlkampfversager, der
nichts, aber auch gar nichts gebacken bekommt. Ein Dilettant vor dem Herrn, der
jetzt auch noch mir nichts dir nichts eingesteht, im Internet überfordert zu
sein. Der Problem-Peer, dem es mal wieder gelungen ist, mit nur einem Satz aus
sieben Wörtern die selbsternannte „Netzgemeinde“ gegen sich aufzubringen. Gehen
wir also zurück in die Realität. Steinbrück ist nicht Kanzler und wenn das
alles so weiter geht, dann wird er es auch nicht mehr werden. Kanzlerin der „Republik
Neuland“ – wie manch ein Scherzbold jetzt unseren schönen Staat ausruft – ist weiterhin
und unverändert die abricotfarbene Angela Merkel. Sie war es, die da neben
Obama steht und das lächerliche und alberne Sätzchen gesagt hat. „Das Internet
ist für uns alle Neuland“, zitieren wir ihn hier ruhig noch einmal, schlimmer
wird es nicht mehr.
Freilich
hat der Twitter-Kindergarten auch auf Merkels Satz in seiner höchsten hämischen
Eskalationsstufe reagiert. Witzchen und Späße gelangten in kürzester Zeit zur
Berühmtheit. Als wollten all die Zyniker rufen: „Sieh her, du antiquierte
Kanzlerin, wir sind das Internet, von dem du nix verstehst. Ätsch!“ Natürlich
ist das erbärmlich und ein Eingeständnis der eigenen Unreife. Aber wie wäre die
Reaktion erst ausgefallen, wenn Steinbrück – wie oben kurz in Erwägung gezogen –
Urheber dieses Ausspruchs wäre? Ohne großartige Spekulationen kommen wir zu dem
Ergebnis: verheerend. Nicht nur die üblichen Verdächtigen, die wann immer
jemand einen Fehler macht, ihren Twitteraccount zur Schadenfreude missbrauchen,
hätten losgelegt, nein, es wäre – wie immer bei Steinbrück – die ganze
Medienmaschine angesprungen und hätte es zu einem neuerlichen Patzer erklärt.
Nicht minder erbärmlich, übrigens.
Doch des Pudels Kern liegt
noch woanders begraben. Wir müssten schon viel früher ansetzen und uns fragen:
Ist der Satz mit dem Neuland überhaupt ein Fehler? Oder anders: Selbst wenn es
ein Fehler ist, müssen wir völlig durchdrehen? Muss nicht jeder, der in der
Öffentlichkeit auftritt, immer und immer und immer mehr aufpassen bloß nichts
Falsches zu sagen? Die Aussagen werden weicher, inhaltsleerer, nur damit sie
keine Fehler mehr enthalten können. Ein Umstand, der das vermeintliche Fehlen
charismatischer deutscher Politiker begründet. Was ist jetzt also mit diesem
Neuland? Ist es nicht tatsächlich so, dass wir die Gefahren und Risiken noch
immer nicht wirklich überblicken können, so wie Merkel es intendierte? Es gibt
weder den typischen Internetnutzer, noch hat dieser ein typisches Alter. Er ist
weder zwingend jung, noch zwingend ein Er. Was das alles soll? Genau, nichts.
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