Von Henning Rasche
„Was
hast du schon erreicht? /
Du bist
bloß der größte Hai /
in
Deinem kleinen Teich!
Doch es
kommt immer noch /
ein
größerer, besserer /
stärkerer,
cleverer Hai /
Sei ein
Mensch
und
kein Hai, Mensch!“
Prinz Pi
– Kompass ohne Norden
Es
ist der Bischof von Limburg genau wie Christian Wulff oder, ach ja, die FDP.
Alle drei irgendwie gescheitert, nach unterschiedlichen Fehlern und
unterschiedlichem Umgang damit. Nur die Konsequenz war die immer gleiche.
Gescheitert. Die FDP ist aus dem Bundestag geflogen, Wulff und der Bischof
Tebartz haben das jeweilige Ansehen verloren. Nun, das reicht uns aber nicht
mehr. Die Gescheiterten sollen auch noch vollkommen zerstört werden. Es ist zu
einem regelrechten Trend geworden, sich an dem persönlichen Scheitern Einzelner
zu ergötzen – auch fernab der Politik (es sei an die so genannten Doku-Soaps im
Trash-TV erinnert). Das gibt Halt, Zuversicht und weist von den eigenen
Unzulänglichkeiten weit weg. Eine kommode Situation. Doch während uns das
Scheitern anderer scheinbar immer mehr Freude bereitet, nimmt unsere eigene
Fähigkeit zur Schuldeinsicht ab. Das führt zu einem Paradoxon: Wir fordern
immer häufiger Entschuldigungen ein, entschuldigen uns selbst aber immer
seltener. Etwas mehr Demut stünde uns allen ganz gut.
Am
Abend des 22. Septembers war viel von der Demut die Rede. Demütig wollte die
Union mit der beinahen absoluten Mehrheit umgehen. Demut gelobte eine Woche
zuvor auch schon ein Horst Seehofer, der in Bayern kaum noch vor Macht laufen
kann. Doch in Wahrheit ist man auch dort alles andere als demütig. „Die Grünen
haben das Wahlergebnis verstanden“, meinte beispielsweise CSU-Generalsekretär
Alexander Dobrindt großkotzig. Allwissende werden verlautbaren, dass man doch
bitte ausgerechnet von Politikern keine Demut erwarten solle. Vielleicht ist
das richtig. Doch richtiger ist, dass kein Politiker besser, aber auch keiner
schlechter ist als wir alle. Die Lust mit dem Finger auf andere zu zeigen ist
groß. Dabei wäre es von Nöten zunächst etwas Selbstreflexion zu betreiben.
Nehmen
wir doch noch mal den Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst. Vom bequemen
Fernsehsofa lässt es sich so leicht schimpfen. „Ein Lügner muss er sein,
vielleicht sogar ein Vorzeigeexemplar des Systems der Katholischen Kirche“,
wurde geunkt. Sicher hat der Mann gewaltigen Mist gebaut, aber muss ich ihn
deswegen auch noch persönlich diffamieren? Wer sich davon freisprechen kann,
noch nie zu seinem Vorteil gelogen zu haben, der hebe die Hand! Auch ein Ulrich
Hoeneß war ein solcher Fall. Sehr starke, sehr persönliche Angriffe gab es,
weil der Bayernpräsident sich selbst des Steuerbetruges in Millionenhöhe
bezichtigte. Wieder waren die ersten mit dem Zeigefinger da. Sie hatten es
schon immer gewusst und gewiss noch nie das Finanzamt betrogen. Doch wer
beschäftigt von den Kritikern denn nicht alles schwarz eine Haushaltshilfe, wer
gönnt sich auf der Steuererklärung nicht hie und da einen Bonus – war der Weg
zur Arbeit nicht doch ein paar Kilometer kürzer?
Wir legen an andere gern
höhere moralische Ansprüche an, als an uns selbst. Das ist bequem, aber
fürchterlich verlogen. Warum versuchen wir es nicht alle einmal mit dieser
Demut? Wir könnten damit anfangen uns selbst nicht stets für das Zentrum der Erde
oder den coolsten Typen auf dem Kiez zu halten. Wer sind wir schon und was
haben wir schon erreicht? Wem Demut zu viel ist, der kann auch mit Respekt
beginnen. Respekt vor den Armen, Kranken, den Einsamen und Zurückgelassenen.
Vor der Putzhilfe, dem Bäcker genau wie vor dem Nachbarn oder den Griechen. Aus
der Wiege des Wohlstandes heraus lässt sich gewiss ganz wunderbar über
Flüchtlinge herziehen. Wer das Schicksal derer, die ihr Leben für einen Funken
Hoffnung opfern, nicht begreift, der übe sich bitte in Demut. Manchmal hilft es
ansonsten auch, einfach mal den Mund zu halten.
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