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Schöne, heile Welt

Von Henning Rasche

Montagmittag hieß es auf einmal: Pressekonferenz der SPD mit Peer Steinbrück, Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier, der sich seit der Wahl 2009 eigentlich nur noch Frank Steinmeier nennen wollte. Wildeste Thesen kursierten nicht nur im Internet. Angeblich würde der Kanzlerkandidat schon jetzt bekannt gegeben werden. 

Friede, Freude, Eierkuchen - in beliebiger Reihenfolge. Rechte am Bild liegen ausschließlich beim Süddeutschen Verlag und der DPA: http://www.sueddeutsche.de/politik/neue-spd-troika-steinbrueck-steinmeier-gabriel-wir-halten-zusammen-aber-wirklich-1.1122245 
 Doch damit hatte der Pressetermin vom Inhalt her nun wahrlich nichts zu tun. Um die große europäische Krise sollte es gehen. Die drei Sozialdemokraten waren gekommen, um der Kanzlerin ihre Hilfe anzukündigen, sollte sie unpopuläre Entscheidungen - natürlich auf SPD-Linie - verkaufen wollen, um die Krise in ihren Einzelheiten zu analysieren und Vorschläge zu machen wie es besser ginge und um die Kanzlerin und die dazugehörige Bundesregierung vollends zu kritisieren. Der eine Teil fordert diplomatisches Gespür, der andere absolute Fachkenntnis und der dritte Kämpfergeist. Alles zusammen genommen ergebe es wohl den geeignetesten Kandidaten für die Kanzlerschaft. Blöd nur, dass die drei Eigenschaften alle unterschiedlichen Personen zufallen. Gabriel, der - zugegebenermaßen positiv formulierte - Diplomat; Steinbrück, der brilliante Fachmann und Steinmeier, der als Fraktionsvorsitzender bisweilen auch als Kämpfer auftreten kann. Stellen wir fest: der beste SPD-Kanzlerkandidat wäre eine Kreuzung aus den Dreien. 

Das wird allerdings nicht funktionieren, so dass wohl nur einer der "Troika", wie sie überall genannt wird, kandidieren können wird. Gabriel, der große Opportunist, ist wohl der aussichtsloseste Kandidat. Wahrscheinlich weiß er selbst, obwohl er Parteivorsitzender ist, dass er die schlechtesten Chancen hätte, wenn er gegen Merkel antreten müsste. Steinmeier hat schon einmal gegen Merkel verloren. Bliebe Steinbrück, von dem viele glauben, er sei für die SPD zu mittig. Ein absurder Gedanke, steht doch die SPD als Volkspartei in der politischen Mitte an sich. Jeder definiert am Ende seine eigene Mitte. Und vermutlich können die meisten Steinbrück-Kritiker nicht damit umgehen, dass er so etwas wie finanzpolitischen Sachverstand in die SPD bringt. Doch überhaupt, wie um alles in der Welt sind Journalisten auf die Idee gekommen, es könne bereits ein neuer Kanzlerkandidat feststehen? Sollte es in der Partei nicht so etwas wie eine Parteireform geben? Und sollte in dieser Parteireform nicht so etwas wie Vorwahlen etabliert werden? 

Ja, sollte es. Doch wenn man sich das obige Bild einmal anschaut, stellt man nur eins fest: Heile Welt. Alles ist schön, alle sind sich einig, Probleme gibt es nicht. Eine andere Signalwirkung hatte diese Pressekonferenz nicht. Auf der einen Seite mag es zwar sein, dass die Partei positive Schlagzeilen braucht und sich gegenüber der Merkel CDU profilieren muss. Aber auf der anderen Seite muss auch merklich offener über die Parteireform diskutiert werden. Es kann nicht sein, dass sich der Parteivorsitzende dazu äußert, wenn er danach gefragt wird, ansonsten aber die Klappe hält. Die Parteireform, die die SPD so dringend braucht, ist weiterhin nur eine leere Worthülse. Zwar muss man anerkennen, dass es im Internet eine breitere Diskussion gibt, allerdings wird diese wieder nur hierarchisch geführt. Die Partei müsste sich von unten herauf auflehnen, wie wäre es beispielsweise mit einer Zusammenkunft aller Ortsverbandsvorsitzenden? 

Als SPD-Parteimitlied hat man weiterhin nichts zu sagen. Irgendwie ist es eine kapitalistische Konsumentenhaltung, die von der Partei eingenommen wird. Mitglieder? Ja, möglichst viele. Beiträge? Ja, immer her damit, geben Sie reichlich. Mitbestimmung? Nein, lieber nicht. Das machen wir hier in Berlin lieber selbst. Da ist es doch kein Wunder, wenn eigene Parteimitglieder nur noch von "der SPD" reden und sich als abgesonderten Außenseiter fühlen. Als erstes muss die Struktur in den Ortsverbänden selbst verbessert werden. Vor Ort, an der Basis müssen mehr Gespräche mit eigenen Mitgliedern angeboten werden. Es muss schon an der umittelbaren Heimat die Möglichkeit geben sich einzubringen. Und wenn es an der Basis stimmt, wenn die Leute hier mitreden dürfen. Dann muss die Kommunikation zwischen Ortsverband, Kreisverband, Regionalverband, Landesverband und Bundesverband in Ordnung gebracht werden. In Angesicht solcher zahlreicher Verbände dürfte das eine komplizierte Aufgabe werden. Und was den SPD-Kanzlerkandidaten angeht: in der Ruhe liegt die Kraft. Da die Regierung wohl doch nicht vorher aufgeben wird, kommt es vermutlich erst 2013 zur nächsten Bundestagswahl. Bis dahin sind noch zwei Jahre Zeit. Einen Kanzlerkandidaten muss man zu diesem Zeitpunkt noch nicht verheizen, schon gar nicht, wenn dieser Peer Steinbrück heißt.  

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