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Der gute Schülerbote

"Hey - kennst Du schon das Projekt Schülerbote?" Zu der locker, fröhlich gestellten Frage geht die noch jugendliche Frau oder der jugendliche Mann völlig indiskret über die magische drei Meter Linie, die einem häufig noch die letzte Privatsphäre garantiert. Denn wenn ein Fremder in einem Gespräch in den drei Meter Radius von uns hereintritt, ist uns das unangenehm, haben Wissenschaftler herausgefunden. Nun überschreiten diese Menschen diese Linie aber ganz bewusst, sie wollen gar nicht fremd wirken, sondern eher wie ein alter Bekannter, den man nach langer Zeit mal wieder sieht. Die Zeit ist aber wieder reif. In vielen Innenstädten begegnen sie einem jetzt. Manchmal mit Klemmbrett, manchmal ohne. Manchmal gebildet wirkend, manchmal eher nicht. Ihr Alter unterschreitet immer die 25er Marke. In Düsseldorf bietet sich der Eingang in die Altstadt über die Flinger Straße an, in Essen vor dem Limbecker Platz, aber sogar in Dinslaken sind sie unterwegs. 
Die Frage ist immer dieselbe. Überall taucht sie auf, viele kennen sie schon. Sie ist gefährlich, nicht lebensbedrohlich, aber ärgerlich. 

Also, der Schülerbote. Was macht er denn, kann man ja fragen, wenn man das Projekt noch nicht kennt. "Ja, also, ich komme von einer Organisation, die perspektivlosen Jugendlichen, die in Hartz IV gelandet sind oder keinen Schulabschluss geschafft haben oder aus dem Knast gekommen sind eine neue Chance gibt. Sie dürfen für uns Zeitschriften verteilen, erstmal probeweise für sechs Wochen. Wenn sie das gut gemacht haben, kriegen sie einen festen Job." Toll, und was hab ich damit zu tun ? "Dir würde unser Schülerbote die Zeitschriften liefern, kostenlos natürlich. Du musst nur am Ende der sechs Wochen eine Bewertung abgeben, ob derjenige das auch gut gemacht hat, also ob du regelmäßig die Zeitschrift bekommen hast, zum Beispiel." Hm... Und das ist vollkommen kostenlos und ohne Verpflichtungen ? "Ja klar, du zahlst überhaupt nichts. Und du kannst dir sogar aussuchen, welche Zeitschrift du nimmst, Hörzu oder Gala, Stern oder Kicker, ganz wie Du willst."

So laufen die Gespräche immer ab, jedes Mal. Angesprochen werden Schüler, Studenten oder Jugendliche, denen man ansieht, dass sie über 18 sind. Ihr Ziel ist klar und ebenso dreist. Das einzige was sie wollen, ist es einen Abo-Vertrag abzuschließen. Man abonniert die Zeitschrift ohne dass man es will. Man unterschreibt, muss sich ja einverstanden erklären und man muss sogar die Kontonummer angeben, für eine Schufa-Prüfung. Spätestens bei der Kontonummer sollte man hellhörig werden und einen weiteren Blick auf den Zettel werfen auf dem man alles notieren soll. Manche zeigen den auch gar nicht - und das mit gutem Grund. 

Wenn die Verkäufer, Aufschwatzer oder wie man sie nennen mag wieder weg sind, dann hält man einen Wisch in der Hand, auf dem steht: "Ja, ich möchte für 12 Monate ein Abonnement über XYZ abschließen..." Und dann hat man den Salat. Wenn sich die Leute überhaupt erkenntlich zeigen, dann arbeiten sie für den Deutschen Video Ring (DVR). 
Bei einem Anruf der Nummer, die dann doch als Impressum auf dem Vertrag steht, weist der angerufene Teilnehmer natürlich jede Kritik von sich. "Nur ein Subunternehmen, beauftragt vom VSR (Verlagsservice), wir haben damit nichts zu tun." Schwer haftbar zu machen, weil sich jeder aus der Verantwortung stiehlt. 

Wer trotz alle dem in diese Falle getappt ist, sollte zügig innerhalb von 14 Tagen einen schriftlichen Widerspruchsbescheid per Einschreiben mit Rückschein an die angegebene Adresse senden. Das ist der einzige Weg aus dieser Falle wieder rauszukommen. 
Jedes mal, wenn mich jemand anspricht, sage ich ihnen, dass ich gleich die Polizei rufen werde. Komme ich zehn Minuten nach meiner Drohung wieder an den Ort zurück, wo sie mich angesprochen haben, sind sie schnell weg. Davor haben sie nämlich Angst. Immerhin. 
her

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