Seiten

Außer Dienst

Von Henning Rasche
Irgendwie könnte man meinen alles sei in bester Ordnung. Keine Probleme mit Europa, der Europäischen Union, dem Euro, keine Gewalt in London, Israel, Lybien, Syrien, kein arabischer Frühling, keine friedlichen Aufstände in Athen oder Madrid. Gewiss, daraus ergeben sich nicht nur negative Probleme. Aber Diskussionsthemen befinden sich unter der Aufzählung ausreichend. Die Bundesrepublik Deutschland ist mitten in Europa, eines der mächtigsten Länder der Welt und Europas. So viel steht fest. Doch, die Welt verändert sich. Verkrustete Diktaturen werden vom Volk aufgebrochen, Kapitalismus-Kritik wird salonfähig, junge Leute erheben sich und lassen sich nicht weiter von den vermeintlich demokratischen Ländern am untersten Ende der Nahrungskette halten. Ein zweiter großer Absturz an den Börsen, der Weltwirtschaft, ist greifbar und nicht allzu abwegig. Ein Land nach dem nächsten aus der Euro-Zone kämpft mit sich und den hausgemachten Schulden. In Deutschland wird viel diskutiert: Wie weit geht unsere Hilfe, geht sich weit genug? Was können wir, was müssen wir, was sollten wir für Europa tun? Doch die Antworten auf solche Fragen kommen nicht daher, wo sie herkommen sollten. Unsere Bundesregierung fällt vor allem dadurch auf, dass sie nichts tut. Und aus der Bundesregierung fällt einer auf, der besonders viel nichts tut. 


Guido Westerwelle. "Gibt's den eigentlich noch?", ist man geneigt zu fragen. Das letzte, das von ihm in der Zeitung zu lesen war, war glaube ich, dass er der Tochter des Königs von Persien (zugegeben: ich weiß nicht, ob es sowas überhaupt noch gibt) zur Hochzeit gratuliert hat. Reine Belanglosigkeiten zählen zum faktischen Arbeitsalltag des Bundesministers des Auswärtigen. Doch wie kann das sein? Wie kann ein Mann, der in einer Regierung Deutschlands zu diesen doch turbulenten Zeiten angehört, so wenig tun? Nie zuvor gab es eine Regierung, in der der Außenminister nicht mindestens jeden zweiten Tag in den Nachrichten war. Denken wir nur an Frank-Walter Steinmeier, den Vorgänger Westerwelles, welch eminent wichtige Rolle spielte er in der großen Koalition? Westerwelle hingegen spielt überhaupt keine Rolle, das Schlimmste, das einem Politiker passieren kann ist eingetreten: Er findet keine Beachtung mehr. Nicht einmal für die Feststellung, dass sich Guido Westerwelle praktisch außer Dienst befindet, reicht der Platz in den Zeitungen. Dieser Mann ist eine Farce. Wenn doch sein großes Anliegen seit jeher die Außenpolitik gewesen ist, wieso greift er dann nicht ins Geschehen ein? Wieso ist er bei keinem wichtigen Gespräch dabei, wieso ist es nicht er, der den Deutschen Antworten auf die drängenden Fragen gibt? Ganz einfach: Weil er selbst keine Antworten hat, vielleicht sieht er noch nicht einmal mehr Fragen. Deutschland hat etwas Besseres verdient, als einen nicht stattfindenden Außenminister Westerwelle. Er muss zurücktreten. Nur, wer nichts macht, macht nichts verkehrt. So, in der Null-Bock-Haltung, in der Ich-mach-nur-das-nötigste-und-ihr-könnt-mich-alle-mal-Arbeitseinstellung, wird ihm niemand etwas vorwerfen. Weil niemand bemerkt, dass er da ist. 

Doch, Deutschland braucht einen neuen Außenminister. Wenn schon die Bundeskanzlerin zu Feige ist, sich endlich Neuwahlen zu stellen, weil sie jeglichen Rückhalt in der Bevölkerung verloren hat, und wir vor 2013 keine Chance auf eine neue Regierung haben, dann bitte: Guido, geh doch endlich. Und überhaupt: Die Zeiten werden nicht besser, täglich steht was von verunsicherten Märkten in der Zeitung, die Nato hat es immer noch nicht geschafft Gadaffi wegzubomben und Assad wird noch nicht bebombt. Jugendlichen in ganz Europa, in der ganzen Welt, fehlt es an Perspektive. In Großbritannien entlädt sich so etwas gewaltsam, in Madrid oder Athen werden ganze Demokratie-Camps gebaut, die friedlich gegen ihre Regierungen demonstrieren. Wohlbemerkt: die Leute werden unzufrieden mit unserer Demokratie, das sollte uns zu denken geben. Schließlich ist es auch der Kapitalismus, der vieles zu verantworten hat: sehr Positives, aber auch sehr Negatives. Wir bräuchten jemanden, der uns erklärt warum es wichtig ist, jeden Euro in die EU zu investieren, warum es solidarisch und trotzdem nützlich ist, unsere Partner in der Europäischen Union zu stützen, ihnen Hilfe zu leisten. Jemanden, der uns erklärt, dass es keine Alternative zur Demokratie geben wird, dass wir uns auf den Hosenboden setzen müssen und Fehler aus der Vergangenheit ausbügeln müssen. 

Es gibt aber niemanden in dieser Regierung, und Westerwelle ist es am wenigsten. Ich schlage vor: die CDU verliert in Schleswig-Holstein und Berlin die Wahlen, Kanzlerin Merkel ereilt ein Geistesblitz und stellt die Vertrauensfrage. Es gibt Neuwahlen, Verfassungsbeschwerden und eine neue Regierung: eine rot-grüne Koalition. Die SPD, um die eine Hälfte der großen Probleme zu lösen: die der Finanzen mit geballter Wirtschaftskompetenz in Form des künftigen Bundeskanzlers Steinbrück. Und die Grünen, um die andere Häfte der großen Probleme zu lösen: die des Klimawandels. 
Zumindest der Teil mit Vertrauensfrage und vorgezogenen Neuwahlen wird ein Traum bleiben, mit der neuen Regierung habe ich noch Hoffnung. Wenn mir aber schon nicht dieser Wunsch erfüllt wird, wieso nicht, kann Guido Westerwelle endlich seinen Hut nehmen? Er wird nicht gebraucht, er wurde nie gebraucht und er wird auch nie mehr in der Politik gebraucht werden.
Westerwelle, abtreten. Bundesaußenminister, a.D.      

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen