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Die Leiden des Gregor G.

Von Henning Rasche 

Eskapaden gibt es in der Politik viele. Manche stoßen uns bitter auf, andere lassen uns eher kalt. Wenn ein 40-jähriger Mann, der Ministerpräsident eines Landes werden will, seine große Liebe an ein 16-jähriges Mädchen verschenkt, dann finden wir das unanständig. Es ist nicht allein der Altersunterschied, sondern viel mehr die heimliche Vorstellung von vielen, wie ein so "alter" Mann mit einem so jungen Mädchen Sex hat. Das erscheint ekelig, politisch betroffen sind aber wohl nur die wenigsten. Die nähesten Mitarbeiter vielleicht, ja. Aber das große Volk lässt sich von so etwas nicht aus der Ruhe bringen. Was aber, wenn die Ko-Vorsitzende der Linkspartei den Mauerbau rechtfertigt? Oder sich den Kommunismus wünscht? Oder einen freundschaftlichen Glückwunsch-Brief an Fidel Castro schreibt und seine großartigen Erfolge für Kuba lobt? 

Leicht wäre es die Linkspartei weiter abzustempeln. Die merken nicht mehr was sie tun, die verstehen gar nicht wie unsensibel ihr tägliches Vorgehen ist und können den Zusammenhang zwischen manch einem oralen Geistkollaps und der eigenen Vergangenheit nicht nachvollziehen. Vermutlich gilt das zumindest für manche bei der Linkspartei. Die Ko-Vorsitzende Lötzsch allerdings dürfte wohl dazu gehören. Doch der Respekt vor unserer Demokratie und allen Parteien, die diese fördern wollen, verlangt es, sich auch mit der Linkspartei auseinanderzusetzen. Nachdem die SPD wieder sozialdemokratisch geworden sei, wäre die Linkspartei nun überflüssig, behauptet die Zeit. Ist es also nur eine Frage der Zeit bis sich die Linken selbst auflösen? Wegen akuter Unfähigkeit? Wieso dann, steht die Linkspartei immer noch um die 10% bei Sonntagsfragen? Die Linkspartei wirkt so furchtbar ungelenk, ja, man muss fast das alte Bild des Elefanten im Porzellanladen an die Wand malen. Geht man die Personalien der Partei durch, dann fallen einem ein: Klaus Ernst und Gesine Lötzsch, die beiden Parteivorsitzenden, Oskar Lafontaine, die Lichtgestalt der Linkspartei - und Gregor Gysi, der Fraktionsvorsitzende im Bundestag. 

Lafontaine hat sich zurückgezogen, Ernst und Lötzsch kann man politisch vergessen. Der einzige, der als politisch ernstzunehmende Figur auftritt, ist Gregor Gysi. Er ist es, der dauerhaft die Wogen glätten muss. Immer wieder muss er in die Bresche springen, wenn seine Vorsitzenden mal wieder Bockmist verzapft haben. Nehen wir den letzten Vorfall: das Schreiben an Fidel Castro. Es wird wohl nicht kritisierfähig sein, dass die Vorsitzenden Fidel Castro zum Geburtstag gratuliert haben. Wohl aber, dass sie ihm zu "seinem" Kuba gratulieren, dass noch immer keine Demokratie ist und noch immer viele Menschenrechte vernachlässigt. Der Spitzenkandidat der Linken in Berlin konnte sich angesichts dieses Schreibens kaum noch bremsen. In einem Interview zeigt er sehr deutlich, wie wenig er von dieser Aktion halte, die ihm doch nur noch mehr Steine in dem ohnehin nicht einfachen Wahlkampf in den Weg lege. Gysi wollte erst nichts sagen, dann merkte er aber, dass wenn er nichts sagt, niemand versucht diese Eskapade aus der Welt zu schaffen. Also fängt er wieder an, er distanziert sich von dem Schreiben. Lässt anklingen, dass es überflüssig gewesen wäre. Und er hebt ganz klar die hohen demokratischen Defizite des Landes hervor. Klar, muss er ja, wer sonst könnte das tun. 


Die Linkspartei besteht eigentlich nur noch aus einer einzigen Person. Gregor Gysi ist zu bemitleiden, dass er in einer Partei mit zwei völlig unfähigen Vorsitzenden gelandet ist. Aber ein Mann mit so viel politischem Gespür und rhetorischer Kraft, wird auch nachdem Lötzsch und Ernst die Partei vor die Wand gefahren haben, einen Job in einer Partei finden können. Oder er wird einfach personifizierte Linkspartei. Als Fraktion, Vorsitzender, Pressesprecher, Landesvorsitzender, Abgeordneter... Wo stünde diese Partei wohl nur ohne ihn? Hinter der FDP?


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