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Herrschaft des Kapitals

Von Henning Rasche

Demokratie: Herrschaft des Volkes. Republik: Das Gemeinwesen ist Sache des Volkes, Gegenteil der Monarchie. Was hatten wir nicht einst für stolze Begriffe für unsere Staatsform. Nun, die Begriffe sind diegleichen geblieben seit der Einführung von Republik und Demokratie. Doch sind sie auch dieselben? Verstehen wir heute immer noch Demokratie so wie es ursprünglich gemeint war? Herrschaft des Volkes, ich kann es gar nicht oft genug schreiben. Wie stolz das klingt. Wir, das Volk, herrschen über uns selbst - uns, das Volk. Wir schufen Parlamente, Wahlen, Gesetze, die dafür sorgen sollten, dass der Staat immer Volk bleibt und nicht zu sehr dem Volk auf die Finger guckt. Wir gaben uns ein Grundgesetz, das an Wortgewalt wohl in keinem Gesetzestext dieser Welt überboten werden kann. Wir erklärten uns den Menschenrechten verpflichtet, setzten die Würde des Menschen an die oberste Stelle und stellten fest: Der Staat ist des Menschen wegen da, nicht der Mensch des Staates wegen. 

Tja, und heute? Das Grundgesetz gilt glücklicherweise immer noch. Die Bundesrepublik Deutschland bleibt damit wie der Name schon sagt auf dem Papier sowohl eine Republik, als auch eine Demokratie. Und gerade für Deutschland dürfte das nicht bloßer Schein sein, sondern immer noch zutreffend sein. Wenn nicht Deutschland demokratisch ist, welches Land wäre es denn dann? Was aber ist mit dem großen Ganzen? Zum Beispiel die Vorzeigedemokratie der Vereinigten Staaten von Amerika. Beinahe wäre es am Dienstag soweit gewesen und die USA wären pleite gewesen. Insolvent. Das hat noch nicht mal Griechenland geschafft, auch wenn - wenn man Experten Glauben schenken darf - diese Vergleiche zwischen den beiden Staaten doch obszön und völlig unangemessen sind. Für mich Laien sah das so aus: Griechenland war fast pleite, die USA waren fast pleite. Das klingt schon ziemlich stark nach Parallele. Aber gut, wenn Experten sagen, dann gilt das ja. Für jeden, immer und überall. 

Hungerkrise, Energiekrise, Eurokrise, Schuldenkrise, Griechenlandkrise, Wetterkrise, USA-Krise, Dollarkrise, EU-Krise, Finanzkrise... Es gibt derzeit so viele Krisen, dass es scheint, als seien die Krisen eher Normalzustand. Wie wäre es, wenn wir dieses Wort einfach abschafften? Wir haben Schulden, viele Schulden. Das müssen wir nicht Krise nennen. Denn Krise würde bedeuten, dass wir das bald wieder im Griff haben. Haben wir aber nicht, danach sieht es gerade nun mal gar nicht aus. Also keine Krise. Allein durch das Wort wird den Leuten ein gewisser Notstand suggeriert. Hoppla, hier ist Hilfe gefragt. Da müssen wir mal kurz helfen, dann ist das nächste Woche wieder gut. Pumpen 2 Milliarden Euro in irgendeinen Topf und schon ist keine Krise mehr da. Doch das Wort erweckt falsche Hoffnungen. Die Krise ist nicht bald wieder vorbei, deshalb ist es auch keine Krise. Es ist unser System, das nicht funktioniert. Das ist alles. Und das ist eine einfache Rechnung: Wer mehr ausgibt als er hat, hat irgendwann Schulden. Inzwischen rennt fast jedes Land, jeder Staat nur noch seinen Schulden hinterher. Kaum etwas anderes ist derzeit wichtiger als "Haushaltskonsolidierung". Und dafür muss der Bürger, das Volk, reichlich Abstriche hinnehmen. 

Der Staat ist zu dem geworden, was wir nicht wollten. Er ist kein Volk, es gibt zwei klar definierte Seiten. Wir hier und die da (in Berlin). Mit Demokratie hat das nicht mehr viel zu tun, das Volk herrscht lediglich über den Wahlzettel. Und der Wahlzettel lässt dann eine Auswahl welchen Staat man haben will. Und dieser Staat, dem gehören Politiker an, die Hampelmännern gleichen. Nicht sie haben die Macht, das Kapital hat die Macht. Wer ist der mächtigste Staat? Der, der am meisten Geld hat. Ratingagenturen bestimmen das Handeln unserer Regierungen. Nicht das Volk. Was genau muss eigentlich noch passieren? Muss ein zweiter Kollaps her? Brauchen wir noch einen weiteren Börsencrash um endlich zu begreifen, dass es so nicht weiter gehen darf? Wann stellt in diesem Land endlich mal jemand die K-Frage. Nicht K wie Kanzler, sondern K wie Kapitalismus. Das muss erlaubt sein. Und die Frage nach Alternativen ist nicht undemokratisch, sondern der Ursprung der Demokratie. Die Suche nach dem Besten für das Volk.

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