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Mehr als Politik

Von Henning Rasche

Nun geht es also weiter. Nach dem Zeit-Interview, dem gescheiterten Buch und der umgesetzten Typ-Beratung hat Karl-Theodor zu Guttenberg auch einen neuen Job. Ehrenamtlich versteht sich. Der Mann von Welt, der neuerdings stets Englisch spricht, selbst wenn er auf Deutsch gefragt wird, der im Schloss wohnt, arbeitet nicht um Geld zu verdienen. Er arbeitet um Gutes zu tun. Er opfert sich auf - für die Gesellschaft. Er ist der Inbegriff des Karitativen; es ist herzergreifend. Internetfreiheit. "Wie weit willst Du gehen?", hieß der Spruch einer Werbekampagne eines Duschgels vor Jahren. Wie weit zu Guttenberg geht, scheint nicht mehr absehbar zu sein. Klar ist nur: er schreckt vor keiner Grenze der Pietät mehr zurück. Er schreibt die Geschichte des Erbärmlichen.
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Dabei geht es gar nicht um die Frage: zweite Chance ja oder nein. Es ist ein Gebot unserer Kultur vergeben zu können. Wer Vergebung ersehnt, muss nur eines zeigen: Reue. Dies dann aber ganz gewiss. Ohne Einsicht keine Reue, ohne Reue keine Vergebung, ohne Vergebung keine zweite Chance. Das ist der Sachstand der Causa zu Guttenberg. Vollkommen klar ist, dass dieser Mann seine Fehler, besser: seinen Betrug, nicht einsieht. Guttenberg weiß nicht recht, was ihm vorgeworfen wird, sonst verhielte er sich anders. Genau daraus lässt sich dann entnehmen, was Guttenberg jenseits der Politik vor allem  fehlt: Rückgrat, Moral und Anstand. 

Die Annahme des Angebots die Europäische Union in Fragen Internetfreiheit zu beraten zeigt einmal mehr, dass Politiker mehr können müssen als nur Politik. Sie stellen immer auch sich selbst als Menschen dar; auch wenn viele gerne darauf verzichteten. Ein Politiker von Format kann Guttenberg so nicht mehr werden. Er hat niemanden umgebracht und keine sonstigen Gewalttaten begangen. Nein er hat das Mandat, das der Bürger ihm gegeben hat missbraucht. Er hat es genutzt, um ihn, den Bürger - seinen Auftraggeber, zu täuschen, zu belügen und für dumm zu verkaufen. Der Mann, der seine mitleidige Story in Buchform gepresst hat und sogar daraus Kapital schlagen will - obwohl er es doch so karitativ ist (sic!) - kann doch nicht mehr ganz bei Trost sein. Wie will jemand, der Daten auf 80 verschiedenen Disketten und anderen Datenträgern abspeicherte und diese hinterher nicht mehr unterscheiden konnte, in der Lage sein das Bundeskanzleramt zu führen? 

Internetfreiheit also. Es ist der Hohn auf das Urheberrecht. Die Frage des ARD-Journalisten an zu Guttenberg, ob Internetfreiheit nun bedeute, dass jeder überall "Copy and Paste" bei jedem machen könne, muss daher völlig unironisch dargestellt werden. Sie ist ernst zu nehmen, auch wenn zu Guttenberg dies nicht gelang. Internetfreiheit soll im Kontext eigentlich bedeuten, dass weniger Zensur stattfinden solle. Die Wahl der Europäischen Union auf zu Guttenberg ist allerdings ähnlich unglücklich, wie damals die Wahl Silvana Koch-Mehrins zur Vorsitzenden des Wissenschaftsausschusses des Europäischen Parlaments. Also eine Farce. Internetfreiheit nach zu Guttenberg lautet jetzt: ich darf mir auf jeder Seite das wegkopieren, was ich brauche und mein Eigen nennen. Das ist einfach. Aber einfach dumm. 

Guttenberg begreift die einfachsten Regeln nicht. Das Reue-Vergebungs-Verhältnis der christlichen Lehre ist nicht bloß religiös geprägt, sondern Teil unserer Kultur. Wer das nicht versteht, darf nicht Kanzler werden, hätte aber auch schon nie Bundesminister werden dürfen. Es ist an der Zeit sich eines einzugestehen: wer auch immer an das politische Talent des Karl-Theodor zu Guttenberg geglaubt hat, der hat sich täuschen lassen. Von AC DC, Haargel und dem New York-Foto. Das Spiel ist aus. 


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