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Nicht vermittelbar

Henning Rasche

Soziale Marktwirtschaft - das muss doch wie eine Schmähung klingen. Sozial. Was daran sozial ist 12 000 Mitarbeiterinnen von Schlecker die Kündigung auszusprechen mit dem Argument, dass selbiges besser für sie sei, das muss mir noch mal jemand erklären. Sicher, es war der "eingetragene Kaufmann" Anton Schlecker, der seinen "Kaufladen" ruinierte, der seine Mitarbeiter nicht einmal als Kapital betrachtet hat, sondern als Knechte, die es bis aufs Blut auszubeuten gilt. Der Staat ist für die Pleite nicht verantwortlich, zumindest nicht direkt. Er hat es versäumt einem Mann wie Anton Schlecker die Grenzen des Handelsgesetzbuches aufzuzeigen. Er hätte es rechtzeitig korrigieren müssen - damit ein Mann wie Anton Schlecker nicht das größte Drogerieunternehmen Europas aufbauen kann in der rechtlichen Form eines Bratwurststandes. Das ist eine Katastrophe, verändert aber nicht das unsägliche Verhalten des obersten Schleckers. Blöd an dem Untergang des Schlecker-Imperiums ist, dass nicht in erster Linie Kaufmann Schlecker der Gelackmeierte ist, sondern die europaweit 47 000 Mitarbeiter, die vorwiegend weiblich sind. Das Gründen einer Transfergesellschaft mit dem Argument zu verneinen, dass man nicht jeden Konzern der pleite geht retten könne, ist obsolet. Leute, will man rufen, es geht doch nicht um einen Konzern - es geht um das Leben und Schicksal von 12 000 Frauen und den dahinter steckenden Partnern und Familien. Der gestrige Tag war ein Armutszeugnis deutscher Politik. 
 

Die Transfergesellschaft für die Mitarbeiterinnen von Schlecker wurde nicht gegründet. Sie ist gescheitert an dem Veto eines bayerischen Wirtschaftsminister, der ein Parteibuch der FDP in der Schublade liegen hat. Das Schicksal der Damen ist also an einer Partei gescheitert, die völlig überrepräsentiert ist, in unserem Land. Und wenn diese FDP an einem Tag mal wieder ihre neoliberale Gesinnung präsentieren wollte - so war es gestern der Fall. "Eure Armut kotzt uns an", werden sie gerufen haben, in ihren elitären Kreisen. Die Partei der Besserverdienenden, die Partei derjenigen, die es sich leisten können, 12 000 Frauen am ausgestreckten Arm verhungern zu lassen, diese Partei hat sich längst überlebt und hat einen gottserbärmlichen Versuch gestartet am Schicksal von 12 000 Menschen ihr Profil zu schärfen. "Eure Dummheit kotzt uns an", müssten wir in Richtung Thomas-Dehler-Haus in Berlin rufen. Wenn ein Philipp Rösler Angela Merkel mit einem Frosch vergleicht, dann ist das peinlich. Aber er kann es tun, weil er mit unserer Bundeskanzlerin eine hart gesottene Gegnerin gefunden hat. Die 12 000 - ja, ich betone die Zahl noch häufiger - Frauen bei Schlecker konnten sich nicht wehren. Für einen ahnungslosen wie Rösler also ein gelungenes Fressen. Peinlich. Es ist einfach peinlich, was sie dort versuchten. 

 Ja, es mag diese sachlichen Argumente geben, die gegen eine Transfergesellschaft sprechen mögen. Ja, man darf auch gegen diese Gesellschaft sein ohne FDPler zu sein oder neoliberal. Es mag logische Gründe geben. Aber die deutsche Politik muss sich fragen lassen, was sie für einen Eindruck bei ihrem Volk hinterlässt. "Die Banken rettet ihr, aber die Frau bei Schlecker nicht" - das ist die überspitzte und sachlich unzutreffende, aber durchaus verständliche Nachricht, die beim Bürger ankommt. Das Verhalten der FDP ist einem gescheiten Menschen schlicht nicht vermittelbar. Der Verweis darauf, dass es derzeit doppelt so viele freie Stellen für Verkäuferinnen gibt wie bei Schlecker entlassen wurden, ist nur wenig tröstlich. Diese müssten wohl um eine solche freie Stelle zu erhaschen zumindest einen Umzug in Kauf nehmen. Was das für eine Frau Mitte 40 oder älter bedeutet, ist an dieser Stelle nicht erklärbedürftig. Was bleibt ist ein hundsmiserabler Eindruck von der deutschen Politik. Der bayerische Wirtschaftsminister, der es noch nicht einmal verdient hat, namentlich erwähnt zu werden, sagte dem bayerischen Konzern "Müller-Brot" - heimgesucht von Hygieneskandalen - finanzielle Hilfe zu. In der Logik der FDP: müsste das nicht auch der Markt alleine bereinigen? Während die FDP den letzten Anspruch auf soziale Politik endgültig aus ihrem Programm streichen sollte, bleibt die Frage nach der Zukunft von 12 000 Mitarbeiterinnen bei Schlecker. Die Zukunft der FDP hingegen ist keine Frage mehr, sie wird sich selbst bereinigen.  

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