Doofes
Deutsches Fernsehen │ Von Henning
Rasche
Der Jahresbeginn ist eine
seltsame Zeit – gleich in vielerlei Hinsicht. Frühling im Winter, Herbst im
Sommer, würde unser Bundespräsident wohl zur Witterung schreiben. Doch nach dem
Wetter ist das zweitbeliebteste Smalltalk-Thema das Fernsehen. Wenn es draußen
ungemütlich kalt ist, drehen die Sendeanstalten auf und feuern aus ihren
Kanonen, was andernorts nicht einmal in der Mülltonne landete. Es ist schon
kurios, dass im Januar und Februar die umstrittenen TV-Formate nur so tummeln.
RTL wirft mit dem Dschungelcamp, DSDS und dem Bachelor um sich, ProSieben
kontert wenigstens mit den Topmodels. Vier Sendungen, die regelmäßig die
Gemüter erhitzen. Zurecht. Und mit Markus Lanz wird ein Mensch im Internet
torpediert als habe er menschenverachtende Kriegsverbrechen begangen. All dies
wirft vielerlei Fragen auf – mitunter warum uns das Fernsehen überhaupt so
echauffiert und warum wir den uns vorgeworfenen Schund noch so gierig
konsumieren.
Regelmäßig ist das deutsche
Fernsehen Gegenstand von kulturellen Debatten und von Qualitätskontrollen. Zwar
wird dort regelmäßig reflektiert, dass das Fernsehen möglicherweise besser sei
als sein Ruf. Der Schluss ist aber der immer gleiche: grottenschlecht. Zunächst
einmal lässt sich zweifelsfrei feststellen: viele Deutsche sehen gerne fern.
Was gern im Rahmen der allherrschenden Untergangsfantasien gegenüber
herkömmlichen Medien behauptet wird, dass nämlich immer mehr (junge Leute) ihre
Lieblingssendungen im Internet konsumieren, mag zutreffen. Dass das Fernsehpublikum
dadurch aber aussterbe, ist nicht zu beobachten. Der demografische Wandel wird
nicht dafür sorgen, dass das Alter des durchschnittlichen ZDF-Zuschauers noch
einmal unter die 60er-Marke rauscht. Und weil also viele gerne fernsehen und
sich Menschen herzlich gern über ihre Aktivitäten austauschen, ist das
Fernsehen ein beliebtes Gesprächsthema. Insbesondere beim Trashformat Nummer
eins, dem Dschungelcamp, gilt aber noch etwas anderes. Um mitreden zu können,
bedarf es keiner intensiven Beschäftigung. Selbst wer nur die Schlagzeilen und
Berichte auf bild.de liest, weiß, dass Larissa auf jeden Fall die größte
Nervensäge ist.
Der Erfolg aller vier genannten
Sendungen basiert auf einem einzigen Prinzip in jeweils unterschiedlicher
Ausprägung. Die breite Masse ergötzt sich an der Erbärmlichkeit der anderen. Im
Dschungel entwürdigen sich verzweifelte Z-Promis, in der Hoffnung den Knick der
Karrierekurve noch kurz vor der dritten Kelleretage aufhalten zu können. Dafür
essen sie Hoden, kuscheln mit Ratten oder Schlangen oder lassen sich von
Kakerlaken berieseln. Dass hier nicht nur Menschen, sondern auch Tiere gequält
werden, bleibt vollkommen außer Acht. Beim Bachelor wiederrum entwürdigen sich
mehrere „Mädels“, die sich vermeintlich um einen scheinbar tollen Typen reißen.
Mit diesem Format werden sämtliche emanzipatorischen Errungenschaften nicht nur
infrage gestellt, sondern gleich pervertiert. Der Mann mit seinen animalischen
Instinkten darf sich das Weib, dessen Hauptaufgabe das Hübschsein ist,
natürlich aussuchen. Bei DSDS und den Topmodels funktioniert das Prinzip
insbesondere am Anfang gut, wenn die Ausschnitte der „Versager“, die sich vor
einem Millionenpublikum blamieren, aneinandergereiht werden. Was hier von
gescripted ist, also vorgeschriebene Peinlichkeit, soll dahin gestellt bleiben.
All diese Sendungen werden
regelmäßig als Belege präsentiert, wie schlecht das Fernsehen wirklich ist –
das private in diesem Falle. Dabei zeigen die nur genau das, was die Mehrheit sehen
will. Und diese Mehrheit scheint einen übergroßen Spaß an Schadenfreude, an
Häme zu haben. Sie will sehen, wie sich andere, nunja, die geistige Toilette herunterspülen. Es ist nicht
verwunderlich, dass die quotenabhängigen Sender wie RTL oder ProSieben also
genau diesem Wunsch nachkommen und zeigen, was die Deutschen verlangen:
Schwachsinn. Qualitätsprobleme gibt es aber auch bei ARD und ZDF, die
Milliarden von Euro an Gebühren kassieren. Diese müssen nun inzwischen alle
Deutschen bezahlen, weshalb alle Deutsche auch einen Anspruch darauf erheben,
jede Sendung als Betrug am Deutschen Volke auffassen zu können. Ein Markus Lanz
mag nervig, penetrant oder gar dämlich erscheinen. Dass eine Hetzjagd im
Internet veranstaltet wird, die so manchen in die Depression treiben müsste,
ist wenigstens unfair. Das „Internet“ überschätzt sich gern. In vielen
TV-Formaten werden Twitter-Kommentare nun vorgelesen. Dabei sind die Nutzer
eine bloß „schrille Minderheit“. Gerade mal eine Million Deutsche sind bei dem
Kurznachrichtendienst angemeldet.
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