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Ausgenommen: Bücher


Gedanken vom Besuch der Frankfurter Buchmesse 2014. Von Henning Rasche
Ein zurückhaltend gekleideter Herr, der vor Freude gluckst, fläzt sich auf dem Sessel des ARD-Forums herum und fühlt sich dabei sichtlich wohl. „Wenn ein Mann den Bauchnabel der Frau küssen darf, hat er gewonnen“, sagt dieser Herr. Es ist Hubertus Meyer-Burckhardt, der im Gespräch mit der ARD-Moderatorin Selma Üsük nicht müde wird zu betonen, er sei eigentlich überhaupt kein Schriftsteller, sondern Drehbuchautor, Regisseur, wasauchimmer. Trotzdem aber hat Meyer-Burckhardt (nur echt mit ck und dt) ein Buch geschrieben, das er „Die kleine Geschichte der großen Liebe“ genannt hat. Die geistige Raffinesse des Werkes übersteigt das Stilmittel des Paradoxons im Titel nicht. Der Autor verharrt eher auf Bauchnabel-Niveau. 


Es ist der erste Tag der Frankfurter Buchmesse. Unterwegs auf den ewig langen Fluren durch die Hallen sind viele wichtige und noch viel mehr sehr wichtige Menschen. Sie tragen schlecht sitzende Anzüge und ziehen Rollkoffer umher, verzieren sich mit Hornbrillen oder Tweed-Sakkos. Klischees werden wahr. 

Von Hubertus Meyer-Burckhardt, dessen Auftritt nach dem prägenden Bauchnabel-Moment sein baldiges Ende findet, schnell weiter. Jürgen Trittin soll ein Gespräch mit SZ-Redakteur Marc Beise führen, doch der Grünenpolitiker ist krank. Georg Mascolo soll zusammen mit SZ-Redakteur Hans Leyendecker über investigativen Journalismus diskutieren, doch der Leiter des Recherchepools von NDR, WDR und SZ ist, genau, krank. 

Also ein Rundgang durch diejenigen Hallen, die für die deutschsprachige Literatur von Bedeutung sein sollen, 3.0, 3.1, 4.1. Sämtliche denkbaren Verlage haben Repräsentanzen errichtet, manch eine kleine erschöpft sich in drei Metern Stand, Harbio Colorado und vertrockneten Keksen. Die so finanziell angeschlagenen Big Player allerdings fahren finanziell nicht zurück, ihre Auftritte sind pompös wie eh und je. Nur eines fehlt: die FAZ zur Buchmesse, sie ist scheinbar Sparmaßnahmen zum Opfer gefallen. Nun gut. 

Aufwändige Kochbücher sind im Portfolio eines jeden Verlages zu finden. Und dabei, für alle, an denen es gänzlich vorbeigegangen ist, spielen solche mit veganen Lebensweisen die größte Rolle. Veganes Backen, veganes Fastfood, vegane Sporternährung, vegane Kinderkochbücher, vegane Haut-cuisine – eine Marktlücke ist geschlossen. 

Ohnehin: es ist erstaunlich, was der Buchmarkt so hergibt. Es scheint, als würde jeder Gedanke eines Prominenten heute zu einem Buch ausgebreitet – wirklich jeder. Zwar ist es nicht neu, dass viele durch das Publizieren von Texten ihre Person in Erinnerung rufen oder noch den einen oder anderen Euro herausschlagen mögen, aber mit welcher Selbstverständlichkeit dies geschieht, ist bedrückend. 

Und so gibt sich die Buchmesse als ein völlig unkreativer Ort. Die permanente Hektik, gepaart mit menschlicher Enge, macht es schlicht unmöglich, sich auf Bücher wirklich einzulassen. Verkaufsgespräche zwischen Verlagen und Buchhändlern und Fernsehaufnahmen tun ihr Übriges. Die Kommerzialisierung schreitet voran, Samsung Galaxy ist nun „Innovation Partner“ der Buchmesse. Der Zusammenhang erschließt sich nicht. Schön nur für diejenigen Eltern, die ihre Kinder dort zum daddeln parken können. Eine Frau verteilt Zehn-Prozent-Gutscheine für Galeria Kaufhof - Bücher sind jedoch ausgenommen. Die schamlose Vermarktung und die Selbstverständlichkeit mit der die vermeintliche Kreativbranche dies über sich ergehen lässt ist bizarr. 

Nun lässt sich einer Messe schlecht vorwerfen, dass die Aussteller dort Dinge zu Geld machen wollen, das liegt schließlich schon im Ursprung des Wortes. Doch die Priorität: erst der gute Gedanke, dann seine Vermarktung, hat sich ins Gegenteil verkehrt. Das unwürdige Schauspiel um den Buchpreis mit seinen kurzen und langen Listen ist nur ein weiterer Hinweis darauf.

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