Von Henning Rasche
Nein, natürlich gibt es die Seite nicht. Wer auch immer jemals versucht haben sollte mich oder meinen Blog auf Facebook zu finden, ist kläglich gescheitert. Das liegt nicht etwa an meinem genialen Pseudonym, sondern daran, dass ich zur Mehrheit der Deutschen gehöre. Die Mehrheit der Deutschen ist nämlich nicht bei dem sogenannten "sozialen Netzwerk" angemeldet. Knapp 18 Millionen deutsche Nutzer sollen es sein, etwa 670 Millionen weltweit. Auch wenn es schön ist, solche Mengen an Menschen als Minderheit zu bezeichnen, trifft es die Sache doch nicht so recht im Kern. Ja, es ist sogar geboten, die Zahlen von der anderen Seite her zu betrachten: nicht 40 Millionen sind keine Nutzer, sondern es gibt fast 18 Millionen Menschen, die auf dieser Seite angemeldet sind. Wenn man das positiv ausdrückt, dann finde ich diese Zahlen beängstigend, negativ formuliert wirkt es eher beruhigend. Was treibt ein knappes Viertel der Gesamtpopulation auf diese Internetplattform? Und weil die Tendenz stetig steigt, stellt sich auch die Frage: Wieso eigentlich treten immer mehr Menschen bei und schaffen es immer weniger zu "widerstehen"?
Die Kommunikation im Internet ist entweder bagatellisierend oder übertreibend, also vielfach extremistisch. Mein "Gesprächspartner" steht oder sitzt nicht direkt gegenüber, ich nehme nicht wahr welche Emotionen sich in seinen Augen zeigen, welche Gestik, welche Mimik er benutzt. Allein das geschriebene Wort steht auf dem Bildschirm, als letzter gebliebener Bestandteil der Kommunikation. Dabei war das mal so ein großes Wort. Gespräche führen, tief im Detail disktuieren über ernsthafte, ja über intime oder unangenehme Dinge, wer kann das heutzutage schon noch? Welche Generation hat das als letzte noch gelernt? Das allein geschriebene Wort auf dem Bildschirm als solches muss interpretiert werden, selbst wenn der gegenüber nur "Mir geht's gut und dir?" schreibt. Wer auf eine solche Höflichkeitsfloskel ehrlich antwortet, der ist ein Freund. Doch wie groß wird der Begriff der Freundschaft im Internet noch gehandelt? Ist jeder Nutzer allen seinen 544 Freunden schon einmal in der Realität begegnet? Und hat er dort gelernt, wie die Person die Sprache nutzt und wie er im Zweifelsfall Wörter zu interpretieren hat?
Facebook wird derzeit zum Symbol des Kapitalismus. Ein absurder Gedanke, eigentlich. Doch Kapitalismus fängt schon im Fußballstadion an. Dort, auf der Bandenwerbung sehen wir seit ein paar Jahren nicht mehr nur immer die selben Werbetafeln, sondern inzwischen kurze, aber animierte Werbefilmchen. Am Ende wurde dann früher - im Internetzeitalter kann früher schon 2 Jahren entsprechen - die Internetadresse eingeblendet. Heute steht da nur noch: facebook.com/adidas oder facebook.com/mastercard. Wie können diese Unternehmen sich das leisten? Sie vertrauen doch zutiefst darauf, dass der Großteil der Betrachter dieser Werbeflächen Nutzer von Facebook ist. Ich verstehe das nicht. Inzwischen werden ganze Links im Internet nur noch mit der Vorwahl facebook.com/leckmichamarsch angegeben. Solche Inhalte bleiben Nichtnutzern verborgen. Wieso können die das trotzdem machen? Oder kriegen die Firmen Geld von Facebook um nur noch diese Adressen anzugeben, damit sich noch mehr Menschen genötigt fühlen einzusteigen? Steckt am Ende nur der Plan dahinter, dass Facebook die Weltherrschaft erringt?
Auch wenn ich mich über solche Dinge aufrege, meine Vorbehalte gegen diese Internetseite überragen den minimalen Vorteil um Längen. Es ist für mich weniger eine technische oder terminliche Frage. Facebook ist unsozial und unmoralisch. Was wir glauben nur noch im Internet erledigen zu können, wird uns vorgetäuscht um unser Intimstes im Internet zu veröffentlichen, um unser innerstes Ich ans Netz zu ketten. Sehnlichst warte ich auf Studien zu Veränderung der kognitiven Verhaltensweisen bei Facebook-Nutzern. Zweifellos, ich will das Internet nicht schlecht machen, es hat uns viele gute Dinge geliefert. Aber: In einer Welt, in der Bürovorgänge, Wirtschaft, Politik und Industrie ins Internet abwandern, sollten wir eines in der realen Welt belassen: uns selbst. Das Argument es ginge alles viel schneller mag zutreffend sein. Aber will ich denn wirklich das Gespräch mit einem wahren Freund abarbeiten wie eine Akte, die der Chef zurückhaben will? Natürlich nicht. Wenn es in einer Welt voller gekünstelten Hektik, voller selbstgemachtem Stress, voller Wichtigtuerei noch einen Luxus gibt, dann ist es die Zeit. Und Zeit für Freunde hat man zu haben. Zeit für ein gutes Telefonat oder für ein Gespräch im Café. Denn irgendwann vergessen Facebook-Nutzer die Nicht-Nutzer.
Nimm Dir Zeit für Deine Freunde, sonst nimmt die Zeit Dir Deine Freunde.
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