Von Henning Rasche
Eigentlich müsste längst eine Routine eingekehrt sein. Schwarze und gelbe Generalsekretäre stehen vor Mikrofonen und Kameras und müssen sich rechtfertigen. Schon oft in diesem Jahr gab es diese Bilder zu sehen. Dann hat ein Hermann Gröhe mit verknittertem Blick oder auch ein Peter Altmeier erklärt, so schlimm sei das alles gar nicht, andere Parteien hätten auch verloren, viel schlimmer sei, dass die NPD wieder im Landtag ist, blablablabla. Oder auf der anderen Seite: Christian Lindner, dieser eloquente, wohlfrisierte, gut erzogene Bursche mit seiner rhetorischen Stärke, dessen einziges Manko ist, in der falschen Partei zu sein. Der erklärt dann, seine FDP müsse sich wieder ihren Brot-und-Butter-Themen zu wenden. Gut gebrüllt, Löwe. Nur, was sind das eigentlich? Die Brot-und-Butter-Themen der FDP? Steuersenkungen? Mövenpick-Hotels? Guido Westerwelle? Die Anleitung zum: Wie zerstöre ich eine Partei in zwei Jahren? Niemand hat die FDP wohl treffender verglichen, als die Zeit: "Die FDP verhält sich wie die Piraten bei Asterix." Bevor der Feind zuschlagen kann, versenkt sie sich lieber selbst.
Doch was hat das alles zu bedeuten? Da ist zum einen die vermeintlich liberale Partei, die faktisch keine Rolle mehr im Volk spielt, die sich bald in den Umfragen der Forschungsinstitute unter "Sonstige" wiederfinden wird und die keine Gelegenheit auslässt, sich zu blamieren. Nicht einmal drei Prozent der Mecklenburger machten ihr Kreuz bei der FDP. Das ist nicht mehr nur peinlich, das ist eine Blamage. Aus dem vierten Landtag hintereinander wurden die Liberalen von den Wählern geworfen. Deutlichere Zeichen an die Bundespartei kann der Wähler nicht senden. Dafür fehlen ihm allein die demokratischen Mittel.
Es sei an das Jahr 2005 erinnert. Damals, als die SPD Nordrhein-Westfalen verlor. Damals, als dies eine der zahlreichen Landtagswahlen war, in denen die SPD immer mehr verlor. Damals, als Gerhard Schröder die Zeichen der Zeit erst erkannte und die Vertrauensfrage stellte und später verkannte, als er in der Elefantenrunde der Realität verlustig wurde.
Die Parallelen sind offenkundig. Sowohl 2005, als auch 2011 verloren die an der Bundesregierung beteiligten Koalitionen in erheblichem Ausmaß in den Landtagswahlen. Rot-Grün ging es damals sehr schlecht, die Agenda 2010 sorgte für großen Unmut im Volk. Schwarz-Gelb geht es noch deutlich schlechter. Außer ein paar Wahnwitzigen gibt es wohl niemanden mehr in der Koalition, der dieselbe mit voller Inbrunst verteidigen würde. Oder anders: Solche Leute gab es in den zwei Jahren noch nie. Diese beiden Parteien blamieren das deutsche Ansehen im Ausland, viel schlimmer aber: sie verkaufen ihr eigenes Volk für dumm. Und weil das Volk schlauer ist als seine Regierung, merkt es das. Das Volk straft die Koalition ab. Nur halt in den Landesparlamenten, weil es nicht anders geht. Es ist kein Wunder, dass manch einem Feind - und davon gibt es bekanntermaßen gar nicht so wenige - die Parallele zu einem Wunschtraum verleitet. Wenn Schröder damals die Vertrauensfrage gestellt hat, müsste dann nicht Merkel erst recht?
Ja und Nein. Ja, weil es wohl nie zuvor eine Regierung mit schlechteren Ergebnissen, mit schlechteren Umfragen und mit schlechterem Ansehen gegeben hat. Ja, weil diese Regierung nicht in der Lage Antworten auf die drängendsten Fragen dieser Zeit zu liefern ist. Ja, weil sie sich als geradezu unfähig erweist, schon simple Probleme wie die der Mehrwertsteuer zu lösen. Ja, weil Deutschland in dieser Zeit eine starke Regierung braucht, die sich voll und ganz auf die Themen Europa und Finanzen konzentrieren muss. Und deswegen auch ja, weil diese Regierung weder was von Europa noch von Finanzen versteht, noch sich auf diese Themen konzentriert. Und ja, weil sich diese Regierung nur mit sich selbst beschäftigt und sie dafür einfach nicht bezahlt wird.
Doch neben all den - wirklich guten - Gründen dafür, dass diese Regierung unter Angela Merkel endlich aufhören sollte, fallen auch erhebliche Unterschiede zur Situation von 2005 auf. War es damals doch nicht der kleine Koalitionspartner, der sich in Luft aufgelöst hat, sondern die Fraktion, die den Kanzler stellte, die schlechte Ergebnisse erzielte. Keine Frage, mit dem Untergang der FDP sind die harmlosen Ergebnisse der SPD von 2005 nicht zu vergleichen. Gerhard Schröder, der die Vertrauensfrage stellte, tat dies in der Überzeugung die nachfolgenden Wahlen zu gewinnen. Er war tatsächlich derart von seiner Agenda 2010 überzeugt, dass er glaubte, die Leute mitziehen zu können. Er wusste, was er konnte. Und genau da liegt der wohl entscheidende Unterschied zu 2005. Angela Merkel würde die Wahlen nach einer baldigen Vertrauensfrage gnadenlos verlieren. Sie hätte keinen Koalitionspartner mehr. Und das weiß Merkel auch. Sie hat weder Vertrauen in ihre Politik, noch in sich selbst. Sie hat nicht mal mehr den Mut einen Schlussstrich zu setzen. Was jetzt folgt, sind zwei Jahre pure Verwaltung.
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