Von Henning Rasche
Die Diskussion ist beendet. Punkt aus. So einfach, glaubt FDP-Parteichef Philipp Rösler, sei Demokratie. Wenn ihm eine Debatte nicht passt, dann erklärt er diese kurzerhand für gestrig und schon kann er beherzt mit dem "Alltag" weitermachen. Zumindest versucht Rösler das so bei der Causa Westerwelle. Causa Westerwelle - das klingt so sehr nach Einzelfall, nach belanglosem Gedöns, irgendwas, das eh bald keinen mehr interessiert. Aber die Causa Westerwelle ist weder Einzelfall, noch belanglos. Schließlich ist Guido Westerwelle Bundesaußenminister und damit ein demokratisch legitimierter Volksvertreter. Belanglos, schon mal gar nicht.
Guido Westerwelle steht vor dem Abgrund seiner Karriere. Alles, was ihn je nach vorne brachte, was er schuf, ist nichts mehr als ein Haufen Schrott. Nichts ist ihm geblieben, nicht einmal Dankbarkeit derjenigen, die ihre Existenz Westerwelle zu verdanken haben. Viel hat Westerwelle erreicht als FDP-Chef in der Opposition, das muss man schon mal anerkennen. Nur eines hat er nie bekommen. Zu keinem Zeitpunkt seiner politischen Laufbahn war Westerwelle in der Bevölkerung beliebt. Nie hat sich jemand beherzt für ihn engagiert, jedenfalls nicht so, dass es nach außen hin wahrnehmbar gewesen wäre. Jetzt, nachdem er Regierungsverantwortung übernommen hatte, treibt seine Verteidiger vor allem eines: Mitleid. Und wenn man schon Mitleid mit einem Minister hat, weil er zu heftig kritisiert wird oder aber auch, weil er noch weniger Rückhalt bei den eigenen Leuten hat, als er verdient hätte, dann ist das ein sehr, sehr deutliches Signal. Ein Signal dafür, dass es vorbei ist. Dass es vorbei sein muss. Aber nicht so, wie Rösler es will. Sondern so, wie es das Volk will.
Personaldebatten sind gefährlich - am gefährlichsten für diejenigen, die sich zu früh auf eine Seite stellen. Siehe Rösler. Er hat jetzt Partei ergriffen und sich - formal - zu seinem Außenminister bekannt. Zuvor düpierte Rösler ihn zwar gleich mehrfach - erst in der Lybien-Bewertung, dann, als er Westerwelle vor einer Vertrauensfrage warnte, weil diese einen negativen Ausgang haben würde und später, als Rösler erklärte, er bestimme die Richtlinien der Außenpolitik. Schon von der Aufgabenverteilung eine mehr als fragwürdige Konstellation. Der FDP-Vorsitzende, der gleichzeitig Bundeswirtschaftsminister ist, bestimmt die Richtlinien der Außenpolitik. Wie geht das? Er erklärt sich gleichzeitig zu demjenigen, der Westerwelle sagt, was er zu machen hat. Und das geht so nicht. Schon aus demokratischer Sicht her nicht. Westerwelle ist - ich kann es nicht oft genug betonen - demokratisch legitimierter Volksvertreter und hat damit sein Mandat, also seinen Auftrag. Rösler ist in dem Moment, in dem er Westerwelle die Richtlinien der Außenpolitik vorgibt, FDP-Vorsitzender. Und als FDP-Chef genießt er überhaupt keine demokratische Legitimation. Es wäre aus verfassungsrechtlicher Sicht höchst bedenklich, wenn Rösler das tut, was er sagt. Dass er Westerwelle sagt, was er zu machen hat.
Was daran aber - zumindest für Westerwelle - noch viel schlimmer ist, ist das klare Zeichen des FDP-Chefs Rösler: Ich vertraue meinem Außenminister nicht mehr, ab sofort sage ich ihm, was er zu tun hat. Deutlicher könnte Rösler nicht handeln, aber gleichzeitig auch nicht mehr verlogener. Der wahre Verlierer der Causa Westerwelle ist nicht Westerwelle, denn dessen Untergang ist seit der Übernahme des Außenministeriums 2009 längst besiegelt, sondern Philipp Rösler. Er sagt: Die Debatte ist beendet. Er meint: Bloß nicht noch mehr Unruhe vor den nächsten Landtagswahlen, also Westerwelle halten, vorerst. Dass Rösler selbst nicht mehr an eine Zukunft Westerwelles glaubt, ist offenkundig. Westerwelle wird damit zur Marionette Röslers. Das schlimmste daran ist, dass Westerwelle das mit sich machen lässt. Er, der die Partei überhaupt erst in die Regierungsverantwortung gebracht hat. Er, der der Partei Gesicht und Programm gegeben hat. Er, der die junge Garde, die jetzt oben sitzt, gefördert hat. Nein, das sollte er nicht tun. Aus Stolz. Westerwelle hätte längst erkennen müssen, was jedermann offenkundig ist: Er ist nicht mehr länger als Bundesaußenminister tragbar, schon aus Gründen des Ansehens im Ausland. Doch auch dieses Mal, am vermeintlichen Ende dieser Debatte zeigt sich eine der größten Schwächen von Guido Westerwelle. Ihm fehlt das Gespür für die Menschen, für die Stimmung im Volk. Er merkt nicht, dass er überhaupt keinen Rückhalt hat, von niemandem. Für ihn ist die Außenwelt weit weniger wichtig, als seine eigene Innenwelt. Er hätte merken müssen, dass es Zeit ist zu gehen. Weil er es nicht merkt, bestätigt er nur einmal wieder mehr seine politische Unfähigkeit.
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