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Letzter Akt

Von Henning Rasche

Als deutscher Staatsbürger ist es dieser Tage nicht leicht sich gut zu fühlen. Nein, diesmal nicht aus historischen Gründen. Vielmehr geht es um das heute, das hier und jetzt. Es ist zu beobachten wie die einst stolze Bundesrepublik Deutschland sich in ihrem Ansehen stark beschädigt. Oder beschädigen lässt. Als 2009 die Mehrheit der deutschen Wähler ihre Kreuze bei FDP und Union machten, gingen sie davon aus, dem Land nicht ernsthaft schaden zu können. Sie wählten diese vermeintlichen "Europa"-Parteien, weil sie wirtschaftliche Erfolge für den Privatmann bringen sollten, zumindest unter der Hand. Doch es kam alles anders. Hotelsteuern wurden gesenkt, Hartz IV-Empfänger verspottet, Atomenergie erst hochgelobt und dann in die ewigen Jagdgründe geschickt. Das ist das, was diese Regierung falsch gemacht hat. Viel schwerer wiegt das, was sie nicht gemacht hat. Das ist nämlich fast alles. Anfangs spottete man über Schwarz-Gelb, ihr Ende schien schnell besiegelt, aber schlimmer gehts immer. Nie zuvor wurde die Bundesrepublik schlechter regiert. Aber was bislang nur innenpolitische Schäden verursachte, wirkt sich jetzt auf die Außenpolitik aus. In der schwarz-gelben Tragödie steigt der letzte Akt. Es geht zu Ende. Die Frage ist nur, womit. 

Das Zentrum einer jeden Regierung ist der Chef, hier: Kanzlerin Merkel. Die "eiserne Lady" von einst - sie wirkt unsicher, schwach und verängstigt. Entweder tritt sie gar nicht auf, wochenlang ist sie in keiner Zeitung, in keinem Fernseh-Interview zu sehen. Und dann plötzlich kommt ein Interview. Das schlägt dann aber Wellen. Wenn sie sich einmal äußert, muss es ja wichtig sein. Doch was früher eingeschlagen wäre wie eine Bombe, verhallt ungehört im Nichts. Wenn Mutti sagte: "Philipp, leg' das Spielzeug weg", dann hat Klein-Rösler das Spielzeug weggelegt. Aber die Zeiten sind anders. Philipp heißt heute Herr Rösler und will Bundeswirtschaftsminister sein, jedenfalls hat ihm irgendeiner diese Berufsbezeichnung gegeben. Und Herr Rösler ist jetzt in die Pubertät gekommen. Er nickt nicht mehr einfach nur, wenn Mutti schimpft, nein. Philipp der Große rebelliert jetzt. Immer weiter will er sticheln, mal austesten, wie weit Muttis Nerven reichen. 

Ein Wirtschaftsminister, der durch seine Äußerungen dafür sorgt, dass der DAX enorm an Punkten verliert, ist in einer deutschen Bundesregierung nicht haltbar. Man kann über vieles disktuieren und hinterfragen, ob Rücktrittsforderungen für Minister nicht viel zu früh kommen. Doch wenn ein Minister so offen gegen den Kurs des Kanzlerin rebelliert, dann aber ist es doch an der Zeit, dass Merkel ihre Richtlinienkompetenz ausüben muss. Und Richtlinienkompetenz müsste eigentlich bedeuten: wenn sie etwas gesagt hat, dann haben das alle Regierungsmitglieder verstanden. Merkel locuta, causa finita. Aber Pustekuchen. Die FDP hört nicht mehr auf die Kanzlerin, Horst Seehofer und die CSU übt sich jetzt auch in Rebellion. Das, was viele nicht mehr für möglich gehalten haben, scheint wieder realistisch geworden. Diese Regierung steht vor dem Aus. So wie jetzt, geht es auf keinen Fall mehr weiter. 

Minister Rösler, der durch seine Äußerungen über eine "geordnete Insolvenz" nicht nur an zu Guttenberg erinnerte, sondern vor allem blanken Populismus betreibt, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, ihm sei das Wohl der FDP wichtiger als das der Bundesrepublik. Und spätestens an dieser Stelle kann er seinem Amt als Minister nicht mehr weiter nachkommen. Merkel ist eine kluge, hochintelligente Frau. Sie müsste wissen was Rösler vorhat. Und sie weiß es auch. Aber sie weiß auch, dass wenn Rösler fliegt, das wacklige Skelett, das von der FDP übrig geblieben ist, auch noch zusammen bricht. Geht Rösler, ist die Regierung am Ende. Deshalb kann Merkel Rösler nicht rausschmeißen, sie würde nicht mehr wieder gewählt. 

Und so kommen wir in eine Zwickmühle. In diesen Zeiten von Finanz-, Euro- und Europakrisen brauchen wir eine starke Regierung, die geistig, moralisch und vor allem menschlich diese Krisen meistern kann. Das kann die Regierung Merkel II. nicht. Gebe es Neuwahlen, wären wir in diesen Zeiten regierungslos. Da stellt sich die Frage: ist es besser sich jetzt in einen Wahlkampf zu begeben und dem Land eine neue Chance zu eröffnen oder das Land bis 2013 weiter in den Händen einer lustlosen Frau zu lassen. Und es stellt sich die Frage, ob in den Händen dieser Frau nicht nur die Bundesrepublik sondern auch noch die Zukunft Europas liegt. Wenn dem so ist, und dem ist so, dann ist das zu viel Verantwortung für jemanden, deren Tage gezählt sind. 

Nur Merkel kann diese Fragen beantworten. Beendet sie diese Regierung - wie auch immer, hat sie dem Land ihren bisher größten Verdienst erwiesen. Und wer bislang glaubte, Merkel sei dafür zu feige, muss abwarten, wie weit Rösler und Seehofer gehen. Rebellieren sie weiter gegen Merkels Euro-Kurs, dann ist es schlichtweg eine Zeitfrage, bis auch der letzte Akt gefallen ist. Vorhang zu, Merkel tot.  

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