Von Henning Rasche
Einen müden Kick zwischen zwei sich in den eigenen Abwehrreihen neutralisierenden Teams nennen die Italiener Catenacio. Im Angriff passiert nichts - schöne, attraktive Kombinationen sind Fehlanzeige. Und hinten, ja, das funktioniert gerade noch gut genug, um Gegentore zu vermeiden. Am Ende steht ein 0:0 auf der Anzeigetafel: Unentschieden. Auf die Regierungsebene übertragen hätte der Schiedsrichter gerade den Halbzeitpfiff abgegeben. Zwei von vier Jahren Legislaturperiode der schwarz-gelben Bundesregierung sind um. Ob es da wirklich noch Unentschieden steht, darf bezweifelt werden.
Und so können die enttäuschten Fans, die ihre Eintrittskarte für 13 Euro gekauft haben, das Spiel abhaken. Sie kommen einfach nicht mehr wieder, wenn ihre Mannschaft weiter so schlecht spielt. Die Wähler können das nicht. Vier Jahre Dauerkarte heißt das Los - fernbleiben gilt nicht. Der Souverän der Bundesrepublik vergibt sein Mandat für diese Zeit, im Oktober 2009 erhielten FDP-, CSU- und CDU-Abgeordnete die meisten Stimmen. Seither führt Angela Merkel die Bundesregierung aus diesen Fraktionen an. Jedenfalls steht sie an der Spitze. Passiert ist in den vergangenen zwei Jahren genug. Die Laufzeiten der Atomkraftwerke wurden erst verlängert, dann wieder verkürzt; Hartz IV-Sätze um fünf Euro angehoben; die Wehrpflicht ausgesetzt; ein Rettungsschirm nach dem nächsten aufgespannt; die Mehrwertsteuer für Hoteliers gesenkt; Deutschland wurde vorübergehendes Mitglied des Weltsicherheitsrates... So hatten die Verteidiger der Koalition stets einiges zu tun. Die angreifenden Probleme wie Kernenergie oder Eurokrise kamen für die bürgerliche Koalition "unerwartet". Wer konnte schon damit rechnen, dass nach 1986 und 2007 sich Katastrophen wiederholten?
Doch Merkels Mannschaft war und ist, wie könnte man es anders sagen, von Verletzungspech geplagt. Erst verhob sich Franz Josef Jung in Kunduz den Rücken und musste fortan durch den jüngeren, weil vitaleren Karl-Theodor zu Guttenberg ersetzt werden. Weil der sich aber nicht ans Fair-Play hielt und ganz oft gegen die Regeln verstoßen hatte, wechselte Mutti hier abermals. Thomas de Maizière, bisher unauffällig im Innenministerium tätig, darf jetzt eine zentralere Figur einnehmen, in der Vierer-Abwehrkette, als Verteidigungsminister. Westerwelle, Rösler, Bahr, Brüderle, von der Leyen, Schröder - sie alle haben mitgespielt auf der Reise nach Jerusalem. Ständig musste irgendwer für irgendwen oder wegen irgendwem die Position wechseln. Der Ministerposten verkam in diesen zwei Jahren der Regierung zum bloßen Platzhalter für Karrieristen.
Es soll der Merkelschen Regierung ein Zwischenzeugnis erteilt werden - im personellen Bereich. Sachlich agieren diese Politiker wohl in der Rubrik unbewertbar.
Personelle Bilanz:
Daniel Bahr, FDP, Bundesgesundheitsminister, Note: 4-
Trat einmal in Erscheinung, als er eine Gesundheitsreform ankündigte. Und dann nochmal, als er die Verkündung der Reform verschob. Blieb bisher einen Arbeitsnachweis schuldig, so richtig weiß man nicht, was der Herr Minister den ganzen Tag tut. Für einen gestaltenden Politiker, der mit im Koalitionsvertrag eine dicke Gesundheitsreform versprochen hat, ist das bisher viel zu wenig. Da muss mehr kommen, Herr Bahr. Lächeln, sticheln und gestriegeltes Haar reicht da nicht.
Anette Schavan, CDU, Bundesministerin für Bildung und Forschung, Note: o.B.
Unbekannt, hat nichts zu sagen und sagt auch nichts. Kompetenz für Bildung liegt ohnehin bei den Ländern. Überflüssiges Ressort, zumindest unter dieser Ministerin. Daher ohne Bewertung.
Dirk Niebel, FDP, Bundesminister für Entwicklungshilfe, Note: 3
Der einzige FDP-Minister, der sich noch nicht durch irgendeinen politischen Firlefanz nachhaltig blamiert hat. Zwar ist seine Besetzung humorvoll, wollte Niebel doch vor der Wahl noch sein Ressort abschaffen. Aber bisher hat Niebel noch keine nennenswerten Fehler gemacht. Tendenz: fallend.
Kristina Schröder, CDU, Bundesfamilienministerin, Note: zu verbissen
Um ihr Amt als Familienministerin ausfüllen zu können, musste sie erstmal monatelang pausieren und eine Familie anschaffen: sie bekam ein Baby. Was man nicht alles für die Karriere tut. Sie tritt immer dann auf, wenn sie sich mit ihrer Feindin von der Leyen streiten kann, vornehmlich um Quotenregelungen. Produktives aus diesem Ressort ist bisher nicht vermeldet worden. Letztlich fiel es durch eine Untersuchung auf, wonach Familien Zeit fehle. Schröder wollte wohl den Tag auf 25 Stunden erweitern. Süß.
Ursula von der Leyen, CDU, Bundesarbeitsministerin, Note: 4+
Von der Leyen kann alles. Mal ist sie fürsorgliche Mutti, dann knallharte Karrierefrau. Vermutlich liegt ihr letzteres aber besser. Ihr werden Ambitionen auf das Kanzleramt nachgesagt. Hoffen wir mal, dass sie mit sämtlichen Projekten wie Hartz IV-Erhöhung um fünf Euro scheitert und Deutschland von dieser Schmach verschont bleibt. Seriös und lieblich kann sie auftreten - ehrlich hat sie dabei noch nie gewirkt. Daher eine Note Abzug.
Ronald Pofalla, CDU, Kanzleramtsminister, Note: 6
Ich kann Pofallas Fresse nicht mehr sehen. Mehr gibt es nicht zu berichten.
Norbert Röttgen, CDU, Umweltminister, Note: 4-
Röttgen wollte die Laufzeiten nicht so richtig gerne verlängern. Merkel schon. Passiert ist es also. Dann wollte man wieder alles rückgängig machen, Röttgen wollte noch weniger Atom als Merkel - wieder setzt sich Merkel durch. Ein Minister, der Merkel zu gefährlich wurde und den sie deshalb schon mal kahlrasiert hat.
Peter Ramsauer, CSU, Bundesverkehrsminister, Note: 4
Wer nichts macht, macht nichts verkehrt. Ramsauer hielt sich aus Stuttgart 21 zurück und bugsiert jetzt an einer PKW-Maut herum. Mal sehen, was daraus wird.
Thomas de Maizière, CDU, Bundesverteidigungsminister, Note: 3+
Einer der coolsten im Kabinett Merkel. Aus der Ruhe bringt ihn nichts. Als Innenminister gab er ein gutes Bild ab, behielt bei den Terrordrohungen fast die Nerven. Muss jetzt im Verteidigungsministerium die Scheiße von zu Guttenberg ausbaden. Aber sogar das scheint ihm zu gelingen. Ein Hoffnungsschimmer im Gruselkabinett.
Ilse Aigner, CSU, Verbraucherschutzministerin, Note: 4
Ähnlich wie Ramsauer. Was sie sagt klingt nicht verkehrt. Konkret handeln tut sie aber offenbar nicht.
Philipp Rösler, FDP, Bundeswirtschaftsminister, Note: 6
Eine Wurst. Eine Bärchenwurst. Der immer grinsende Rösler weiß nicht was er will und noch nicht einmal was er nicht will. Ein Opportunist vor dem Herrn, der sogar antieuropäische Parolen vertritt, wenn es mal eng wird im Wahlkampf. Witzig, denn für die FDP ist der Wahlkampf seit 2009 nur noch eng. Glaubte als FDP-Vorsitzender alles besser machen zu können als Westerwelle und wurde eines besseren belehrt. Auch er kann nicht aus Scheiße Gold machen. Als Wirtschaftsminister bisher ohne Bedeutung.
Wolfgang Schäuble, CDU, Bundesminister der Finanzen, Note: 2-
Schäuble hält Merkels Regierung am Leben. Er ist der einzige echte überzeugte Europäer im Team. Machte immer wieder Probleme mit der Offer-Affäre oder anderen Aktivitäten, bleibt aber fachlich nicht zu kritisieren. Nur sollte er sehen, dass er sich demnächst nicht mehr 56 Milliarden Euro Fehlrechnung zurechnen lassen muss. Zu bewundern für seinen Kampfgeist.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, FDP, Bundesjustizministerin, Note: 3-
Ihr Haus müsste aktiver sein. Das Bundeswahlgesetz hat zu lange auf sich warten lassen und ist darüber hinaus auch nicht besser als das alte. Auch zum Thema Vorratsdatenspeicherung müsste mal ein Durchbruch kommen. Schnarris Ansichten sind weitgehend akzeptiert und anerkannt, jedenfalls außerhalb der Koalition.
Hans-Peter Friedrich, CSU, Bundesinnenminister, Note: 4
Der Sheriff aus Bayern. Es ist politisch nicht seine Zeit, deshalb könnte er eigentlich in Ruhe arbeiten. Ergebnisse erfährt man aus seinem Haus aber nicht. Streitet sich mit Schnarri um die Vorratsdatenspeicherung. Seine Ansicht dürfte verfassungswidrig sein und das Gesetz in die Nichtigkeit führen. Potential nach oben.
Guido Westerwelle, FDP, Bundesaußenminister, Note: 4-
Das arme Schwein der Regierung. An ihm entlud sich jeglicher Zorn. Oft zu Recht, manchmal auch zu Unrecht. Seit er nicht mehr FDP-Vorsitzender ist wirkt er viel entspannter und sogar etwas menschlicher. Nur sein Fehler bei der Lybien-Enthaltung war politisch ein Makel. Ohne ihn sähe die Regierung deutlich besser aus. Mit ihm verbinden die Wähler alles, was an dieser Regierung schlecht ist. Und das ist eine ganze Menge. Wie gesagt, ein armes Schwein.
Angela Merkel, CDU, Bundeskanzlerin, Note: 5
Sie trägt die Verantwortung für dieses Gruselkabinett, sie hat es zusammengestellt. Allein diese Tatsache lässt an ihrer Kompetenz zweifeln. Sie reagiert und regiert nicht. Das Gefühl, sie verwalte nur die Probleme, lässt viele Wähler nicht los. Kann seit Beginn der schwarz-gelben Regierung nicht mehr lachen. Erklärt ihre Politik nicht mehr. Vollzieht einen nicht nachvollziehbaren Kursschwenk nach dem anderen. Jetzt kommt der Mindestlohn. Wie lange die CDU das noch mit ihr aushält? Und wie lange die Bürger es noch mit ihr aushalten? Zwei Jahre - nicht länger.
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