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Demokratisches Paradoxon

Von Henning Rasche

So, der "rechte Terror" ist es also, der Deutschland heimgesucht hat. Respekt, wem dies schon länger aufgefallen war. Bei aller Verachtung für rechtes nationalsozialistisches Gedankengut: angesichts von zehn Morden in sieben Jahren (2000 - 2007) von Terror zu sprechen, erscheint etwas zu hoch gegriffen. Sicher, es mag absurd sein, Opfer in Zahlen auszudrücken. Angesichts einer nicht - oder nur schwer - möglichen Definition von Terror, könnte es aber ein Kriterium sein, um selbigen auszumachen. Wie wäre es zum Beispiel, um zunächst bei den Begrifflichkeiten zu bleiben, mit "rechtsextrem orientierte Mordserie"? Oder klingt das zu technisch? Niemand will das Problem des Rechtsextremismus bestreiten oder kleiner machen, aber hilft es wirklich die Dinge unnötig aufzublasen? Wohl kaum. 

Was helfen könnte, eine rein finanzielle Maßnahme, um Gewalttaten aus der rechten Ecke zu verhindern, wäre, die Kürzungen im innenpolitischen Haushalt wieder rückgängig zu machen. Konservative Regierungsmitglieder müssen in diesen Tagen wieder einmal feststellen, dass sie mit sämtlichen Einschätzungen falsch lagen. Die zunächst verlängerte Atomenergie ist ohne Zukunft, der so verteufelte Mindestlohn hat dagegen eine Zukunft, die Wehrpflicht keine mehr; und es ist auch rechtsextrem orientierte Gewalt, die Deutschland aufhorchen lässt und nicht diejenige vom linken Spektrum. Schon auffallend, wie oft man sich in nur zwei Jahren an der Regierung irren konnte. 

Doch genug von politischer Schuldzuweisung. Fast immer, wenn es in jüngerer Zeit in Deutschland gerade ein Problem mit Rechtsextremismus gibt, wird sofort der Ruf nach einem Verbot der NPD laut. Man müsse die Partei endlich verbieten, solche Gedanken seien menschenverachtend und widerwärtig. 

Sicher sind sie das. Niemand geht gerne mit braunen Parolen um. Nazis sind und bleiben eine Schande für unser Land; es erscheint geradezu unbegreiflich, angesichts der Geschichte unseres Landes, sich den zwingend ergebenden Schlüssen zu verweigern. Wer gegen Ausländer hetzt, Gewalt anwendet oder nur einen abfälligen Blick wirft, kann nur erwarten, selbst verachtet zu werden. Man ist geneigt zu sagen: solche rechtsextremen Parolen sind es, die unserem Land, unserem Volke und unserer Demokratie schaden. 

Aber eines darf nicht vergessen werden. Wer Parteien verbietet, wählt das schärfste Schwert unserer Verfassung. Parteienverbote sind deshalb so schwierig, weil sich unser Grundgesetz entschieden hat, Meinungsdifferenzen oder Streitigkeiten um andere Ansichten, andere Ideologien und Werte nicht durch Verbote regeln zu wollen. Denn Verbote waren es, die Deutschland einst in den Abgrund führten. Die Komplexität des Verbotes einer Partei ist deshalb ein Auftrag an das Volk, an die Bürger, an die Politiker. Bekämpft Menschen, deren Ansichten euch nicht gefallen, mit Worten. Überzeugt sie auf dem Marktplatz der Ideen mit den besseren Argumenten. Nutzt die Stärke der Demokratie, um sie nicht selbst abzuschaffen. Wer in der Demokratie nichts als die eigene Ansicht zulässt, der gefährdet dieselbe dadurch. 

Ein NPD-Verbot ist bereits kläglich gescheitert. Verfassungsschutz und Regierung blamierten sich, als sie 2003 vor dem Bundesverfassungsgericht eben dieses Verbot durchzusetzen versuchten. Es wäre schändlich, wenn nicht höchst gefährlich, eine solche Niederlage erneut zu riskieren. Denn eine solche Niederlage ist ein Sieg für die NPD. Unliebsames Gedankengut wird man nicht dadurch los, als dass man es verbietet. Das ist in sämtlichen Diktaturen dieser Welt eindrucksvoll zu beobachten gewesen und immer noch gängige Praxis. Wer laut Gesetz kein Kommunist mehr sein darf, wird nicht laut Gesetz zum Kapitalisten. Wer laut Gesetz keine eigene Meinung haben darf, wird das Gesetz die Meinungsbildung nicht verhindern können. Und wer Rechtsextremismus in Form der NPD verbieten lassen will, der wird den Rechtsextremismus dadurch nicht los. 

Schauen wir der Realität in die Augen. Jeder Nazi ist ein Nazi zu viel. Jedes Opfer von Nazis ein Opfer zu viel. Eine Mordserie wird nicht durch ein NPD-Verbot verhindert. Sie kann nur dadurch verhindert werden, dass Rechtsextremismus wieder mehr gesellschaftliche Beachtung findet. Aufklärung ist das Stichwort. Sorgen wir also dafür, dass unsere Kinder, unsere Nachbarn und Freunde, aber auch der Bekannte aus dem Sportverein weiß, wovon er redet. Politische Aufklärung ist überlebenswichtig für eine Demokratie. Lasst uns mit Argumenten überzeugen. Überzeugen, dass Rechtsextremismus falsch, menschenverachtend und gefährlich ist. Dann haben wir Verbote gar nicht mehr nötig.  

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