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Ungleichbehandlung als Gleichbehandlung

Henning Rasche

Jede Ungleichbehandlung ist eine zu viel. Ungleichbehandlung ist so ein politisch beschönigendes Wort - eine Ungleichbehandlung ist schließlich nichts anderes als eine Diskriminierung. Aus den verschiedensten Gründen werden Menschen diskriminiert. Aufgrund ihres Aussehens, ihres Alters, ihres Geschlechts, ihrer Hautfarbe, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Religion, ihrer Hobbies, ihrer Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Weltanschauung, ihrer Meinung oder sonstiger Dinge. Wir in Deutschland sind schon ziemlich weit mit der Bekämpfung solcher Ungleichbehandlungen. Zumindest was die staatliche Handhabe angeht, denn die regelt schließlich das Grundgesetz. Zum sonstigen Schutz haben wir noch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, AGG. Danach ist es schlicht verboten Unterscheidungen zwischen Menschen anhand von obigen Kriterien durchzuführen, mit Ausnahme weniger Sonderregelungen. Doch auch nach einem Aufruf von 340 Journalistinnen, die innerhalb von fünf Jahren in deutschen Chefredaktionen 30 Prozent Frauen haben wollen, stellt sich wieder die Frage: Brauchen wir die Frauenquote? Und wenn ja, ist das nicht bekümmerlich? Und wenn nein, was dann? 


Es gilt inzwischen als infarm die Frauenquote überhaupt in Frage zu stellen. Wer nicht als Chauvinist, Macho oder Frauenfeind dastehen will, der hütet sich vor dieser Kühnheit. Doch was wäre dies für eine Debattenkultur, für eine Demokratie in der wir Kritik an einem Vorhaben schon von vornerein ausschließen wollen, weil wir die abweichende Meinung schon als Diskriminierung an sich betrachten? Also Schluss damit. Wer die Quote will, der sollte auch streitbar dafür argumentieren. Schließlich ist die Frauenquote ein Eingriff in den Grundsatz der allgemeinen Gleichbehandlung aus Artikel 3 des Grundgesetzes. Wer einen solchen Eingriff will, muss einen hohen Argumentationsaufwand betreiben und darf sich der Debatte nicht entziehen. Wenn die Quote unumweichlich ist, was die Befürworter gerne behaupten, dann dürfte es ein Leichtes sein, sie zu begründen. 

Das Problem an sich will ich um Gottes Willen nicht in Zweifel ziehen. Benachteiligungen von Frauen im Arbeitsleben sind ein ernsthaftes Problem in Deutschland, das hat auch die letztlich veröffentlichte Studie der EU bewiesen. Aus diesem Grund kam im Übrigen auch die sanfte Aufforderung aus Brüssel nach Berlin eine Quote zur Förderung der Frau einzuführen. Das Prinzip der Quote ist nicht unbekannt. Parteien nutzen sie, manche Unternehmen auch. Weil zu wenig Frauen in Führungsetagen angestellt werden, soll eine Quote eine Mindestanzahl in "hohen" Posten garantieren. Im Falle der Journalistinnen sollen halt 30 Prozent der Mitglieder in deutschen Chefredaktionen nach fünf Jahren Frauen sein. Würde sich also etwa ein Mann mit besseren Qualifikationen bewerben, müsste die Chefredaktion den Bewerber ablehnen, um die Quote zu erreichen und stattdessen eine Frau anstellen, die unter Umständen schlechtere Qualifikationen mitbringt. Das Mittel der Quote ist also eine Ungleichbehandlung, die eine spätere Gleichbehandlung bewirken soll. Ähnlich wie der Satz unter Stellenanzeigen im öffentlichen Dienst: "Frauen und Menschen mit Behinderung werden bei gleicher Qualifikation bevorzugt angestellt."

Frauen kriegen weniger Lohn, haben schlechtere Aufstiegschancen in Führungsetagen. Die Quote soll dem Abhilfe verschaffen, klingt gut, eigentlich. Und dennoch beschleicht mich ein gewisses Gefühl von Bauchschmerzen wenn ich daran denke. Von verfassungsrechtlichen Bedenken mal abgesehen: es bleiben noch moralische und auch psychologische. Denn eine Quote ist Diskriminierung. Diskiriminierung von Männern, aber auch positive Diskriminierung von Frauen. Hat eine Frau, die ihren Führungsposten nur der Quote verdankt dieselbe Autorität wie eine Frau, die ihren Führungsposten ihrer Qualifikation verdankt? Werden in Unternehmen dann unnützige Posten geschaffen, die schließlich mit Frauen besetzt werden nur um die Quote zu erfüllen? Mal abgesehen von der Selbstdegradierung der Frau, die diese Quote gefühlt ist, wie ist das Befinden der Herren dabei? Ist es okay eine Ungleichbehandlung zugunsten einer möglichen Gleichbehandlung zu akzeptieren oder ist das nicht sogar völlig absurd? 

Es behagt mich das schlechte Gefühl, dass die Quote kein gutes Instrument ist, um die Benachteiligung der Frauen zu verbessern. In Schulen und an Universitäten ist es oft so, dass Mädchen und junge Frauen gegenüber Jungen und Männern bei Noten bevorzugt werden. Das liegt an der ordentlicheren Schrift und an dem unter Lehrern weit verbreiteten Glauben, dass Mädchen einfach ehrlicher und ordentlicher sind. Welch folgenschwere Fehleinschätzung! Es käme doch niemand auf die Idee eine Quote für Jungen von Einser-Absolventen einzuführen, um diese Bevorzugung zu bekämpfen. Trotzdem: es gibt derzeit kein anderes, kein besseres oder sinnvolleres Mittel als die Quote. Wir wissen nicht, ob es funktionieren kann oder nicht. Wir wissen nur: besser wir versuchen die Quote, als gar nichts. Das Optimum wäre das Umdenken in der Gesellschaft. Dass Gleichberechtigung endgültig in den Köpfen der Menschen angekommen ist, dass einem Personalchef egal ist, ob Frau oder Mann vor ihm sitzen. Dass alleine durch Qualifikationen unterschieden wird. Es scheint, als wäre das Optimum auch eine Utopie. 

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