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Wladimirowitsch sei Dank


Putins hochpolitische Spiele entlarven den russischen Präsidenten einmal mehr. Und das IOC natürlich. Von Henning Rasche
 
Das olympische Feuer ist erloschen, die Abschlussfeier beendigt, der Medaillenspiegel zur Ansicht ausgelegt und die deutschen Olympioniken von Bundespräsident Joachim Gauck am Flughafen Franz-Josef-Strauß in München empfangen worden. Sotschi 2014 ist vorbei. Geschichte, die in irgendwelchen Rückblicken und Jahrbüchern Ende Dezember noch einmal widergekäut werden dürfte, aber letztlich abgeschlossen ist. Was bleibt ist ein ziemlich bitterer Eindruck. Das IOC interessiert sich nicht für die eigenen Werte, die es vornehm in seiner Charta führt. Ausschließlich monetäre Aspekte bestimmen das Handeln der obersten Hüter des olympischen Wettbewerbs. Putin kauft sich die Spiele, Putin kauft sich ein Skigebiet, Putin kauft das IOC, Putin kauft sich irgendwie Goldmedaillen, kurzum: Putin kauft sich selbst auf Staatskosten ein besseres Image. Dadurch entfernt sich der russische Präsident weiter von der Europäischen Union als jemals zuvor. Die Stimmung ist eisig, wie zu Zeiten des Kalten Krieges. 

Für Athleten seien es perfekte Spiele gewesen, heißt es nun überall. „Die Olympiade der kurzen Wege“, wurde geschrieben. Toll, wenn die Organisatoren die Natur soweit vergewaltigen können, bis jedwede Unannehmlichkeit vermieden ist. Ohnehin: die Lobbesudelungen auf ARD und ZDF erreichten ein schier unerträgliches Ausmaß. Hatte die Redaktion kritische Beiträge vorbereitet, schämten sich die Moderatoren fast, die ach so tolle olympische Stimmung durch die Wahrheit zu trüben. Dass das russische, Pardon, Regime Oppositionelle und Kritiker der Spiele festnahm, erreichte die Käseglocke Sotschi nur allzu selten. Der ukrainische Bürgerkrieg hätte auf ein Bestreben von Putin sicherlich vorzeitig beendet werden können. Nicht einmal Zeichen der Trauer ließ das IOC den ukrainischen Sportlern.

Apropos: die Sportler. Gewiss ist es komplex, sich optimal auf die Wettkämpfe vorzubereiten und gleichzeitig politisches Allgemeinwissen mit sich zu führen. Aber angesichts der schwachen sportlichen Ergebnisse der deutschen Olympioniken wäre es durchaus wünschenswert gewesen, ein Wort der Kritik mehr zu hören. Auf die Frage wie sie die Spiele fand, antwortete Abfahrtsläuferin Maria Höfl-Riesch, die mit einem vierten Platz im Slalom ihre olympische Karriere beendete, es sei alles perfekt gewesen. Die Organisation wäre hervorragend, die Bedingungen gut gelungen. Das ist nicht nur an der Wirklichkeit leicht vorbei, sondern mithin eine dreiste Lüge. Mal von den Problemen um Korruption, Menschenrechten, Meinungsfreiheit und Umweltschutz abgesehen, olympische Winterspiele bei 15 Grad Außentemperatur können rein denklogisch keine guten Bedingungen aufweisen. Der Schnee für Biathleten oder Langläufer ähnelte mehr einer großen Portion Wassereis, die lange kein Gefrierfach mehr zu Gesicht bekommen hat. Die deutschen Sportler traten fast so unkritisch auf wie die deutschen TV-Moderatoren.

Sportlich betrachtet, ist der Wintersport – warum auch immer – unter Fernsehzuschauern sehr beliebt. Stunden um Stunden harrten die Zuseher vor den Empfangsgeräten aus, um eine Enttäuschung nach der anderen dokumentiert zu bekommen. Gewiss, es war nicht alles schlecht. Aber die Erkenntnis, dass selbst kleine Nationen das sportliche Knowhow der Bundesrepublik längst ein- und überholt haben, bleibt hängen. Wofür genau geben wir eigentlich so viele Unsummen aus, wenn die Athleten doch im Mittelmaß verharren? Sicher, ehrliche Verlierer sind immer noch besser als falsche Sieger. Ehrliche Gewinner sind aber am besten. Die Ex-Sportler, die das TV als sogenannte Experten engagiert hatte, waren hauptsächlich damit beschäftigt, die durchwachsenen Leistungen schön zu reden. Auch sportlich wäre eine kritischere Berichterstattung durchaus erfreulich gewesen.

Was bleibt ist das riesige Politikum. Wladimir Wladimirowitsch Putin, der Herrscher der 22. olympischen Winterspiele von Sotschi, geht deutlich gestärkt aus der Olympiade heraus. Nicht zu Unrecht führt ihn das US-Magazin Forbes auf der Liste der mächtigsten Menschen auf Rang eins. Putin wollte mit den Spielen beweisen, dass er alles kann, sogar Winterspiele an einem Badeort durchführen. Man muss gestehen: diesen Beweis hat Putin erbracht, es gibt nichts, was er sich aus seiner subjektiven Sicht vorzuwerfen hätte. Ein putineskes Spektakulum. Gratulation. Putin dürfte sich dadurch in seinem Handeln bestärkt sehen, weitermachen und noch weniger auf Einwände aus „dem Westen“, also der Europäischen Union und den USA hören. Putin kühlt die Stimmung derzeit erschreckend herab. Am Ende sind olympische Spiele nämlich das Gegenteil von unpolitisch – sie sind hoch politisch. Leider.

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